HoPo-WWW - Archiv für Hochschulpolitik

Die Hochschulreform der neunziger Jahre - eine Einführung

Von Michael Bayer

Gegen viele Aspekte der aktuellen Hochschulreform sprechen vernünftige Gründe: Globalhaushalte bringen den Hochschulen nur scheinbar Autonomie und sind unter den Bedingungen des Sparzwangs eher Strick als goldene Kette. Der Anspruch, Mittel leistungsbezogenen zu vergeben, scheitert spätestens dann, wenn qualitative Kriterien eine Rolle spielen sollen. Die Hochschulleitungen zu stärken heißt, die wenigen noch vorhandenen demokratischen Elemente in der Hochschulselbstverwaltung abzubauen. Eingangsprüfungen der Hochschulen entwerten das Abitur, und Studiengebühren werden wahrscheinlich die Zahl der StudentInnen verringern - sozial unausgeglichen und entgegen dem wirtschaftlichen Bedarf.

Warum sich diese Punkte dennoch im Gesetz finden? Sie haben einen Vorzug: Konsequent umgesetzt, bewirken sie eine wettbewerbsbezogene Steuerung der Hochschulen - und werden damit die Studiengänge zweiteilen und die Hochschulen hierarchisieren. Eine Auseinanderentwicklung der Hochschulen wird bildungs- und finanzpolitisch, vor allem aber wirtschaftspolitisch motiviert gefordert. Ein hierarchisch strukturiertes Hochschulwesen entspricht konservativen Elitevorstellungen, ermöglicht Einsparungen staatlicher Mittel und bringt den Unternehmen einerseits Spitzen-Forschungsergebnisse und auf hohem Niveau qualifizierte AbsolventInnen für Führungsaufgaben, andererseits viele berufsorientiert geschulte AbsolventInnen für Standard-Aufgaben.

Damit stehen auch, ganz wie es der Wissenschaftsrat 1993 forderte, "traditionelle Grundsätze der deutschen Universität zur Disposition": allen voran die Einheit von Forschung und Lehre für alle Universitätsmitglieder und das Prinzip der Selbstverwaltung.

Die Eckpunkte der aktuellen Hochschulreform

Vier Thesen und ein Ausblick

Thesen und Ausblick sind Ergebnis und Zusammenfassung der ersten drei Kapiteln meiner Diplomarbeit. Die Eckpunkte (oben) sind der vierte Abschnitt. In der Papierversion gibt es selbstverständlich Fußnoten und Literaturhinweise. (Blick in die Gliederung.)

These 1: Die Bildungs- und Forschungspolitik strebt ein Bildungssystem an, das den Bedürfnissen der Unternehmen möglichst gut entspricht - heute mehr als je zuvor.

These 2: Die Idee, das Hochschulwesen zu differenzieren, ist alles andere als neu. Neu dagegen ist Anfang der neunziger Jahre der breite bildungspolitische Konsens dafür.

These 3: Wettbewerb ist das Mittel, das das Ziel Differenzierung umsetzen soll.

These 4: Das Verhältnis Staat und Hochschule im Spannungsfeld zwischen Hochschulautonomie und Hochschulplanung orientiert sich an den wirtschaftspolitischen Konzepten zwischen freiem Markt und Staatsintervention.

Ausblick: Wie läßt sich eine andere Reform der Hochschulen in Gang bringen?

Schon der erste Schritt auf dem Weg dorthin sollte nicht unterschätzt werden: Es müßte überhaupt wieder eine Hochschulpolitik geben. Neben den berechtigten Qualifizierungsinteressen der Wirtschaft müssen die sozialen und Qualifikationsinteressen der Studierenden, die Forschungsinteressen der WissenschaftlerInnen und die gesellschaftlichen Interessen an Innovation wieder gehört und berücksichtigt werden. Mit anderen Worten: Es müßte nicht mehr und nicht weniger erreicht werden als der Bruch mit dem Primat der Wirtschaftsinteressen. Oder, wie es Torsten Bultmann formuliert: "Grundlage jedes alternativen Denk- und Handlungsansatzes kann daher nur die Re-Politisierung der Wissenschaft sein."


Randnotizen

Das CHE macht mit Hitlisten Politik
Die "größte Studie, seit es in Deutschland Hochschulrankings gibt": Der Stern verkündet in einem 200-seitigen Extraheft die Sieger und Verlierer, die das Centrum für Hochschulentwicklung gekürt hat. Die bildungspolitischen Hintergrüde solcher Rankings.
Wieder hörbar einmischen
Eine Auswirkung auch der Hochschureform: kritische Stimmen in der Politikwissenschaft haben es zunehmend schwerer. Zum 50-jährigen Bestehen des Marburger Instituts.

Vertiefende Informationen


Bildung,
die auf die Persönlichkeit ausgerichtete Formung des Menschen
durch Fremd- und Selbsterziehung. B. bedeutet auch den Grad
der Geformtheit des einzelnen durch Wissen, Können, Charakter
u.  Urteilsvermögen. Der Bildungsvorgang, der nicht nur die
einseitige Ausbildung bestimmter Fähigkeiten meint, ist nicht
auf das Jugendalter beschränkbar. Zur Orientierung des Menschen
in seiner Welt bedarf es einer ständigen Offenheit formenden Kräften
gegenüber. Diese Offenheit bezeichnet selbst einen Grad der Bildung.
              (aus: Der neue Herder, Bd. 1, 1965)

Kern einer realistischen Reform für das Studium an den
Universitäten muß eine Umorientierung des Studiums auf die
Qualifikation der Absolventen für den Beruf
in einer vorgegebenen und vertretbaren Studienzeit sein.
              (aus: Bericht des Bundesministers für Bildung
              und Wissenschaft zur Situation der Hochschulen in der
              Bundesrepublik Deutschland vom 7.10.1992)

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Michael Bayer, 2. Februar 2007