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Hochschulzugang


Die Studierenden sind, neben Reputation, HochschullehrerInnen und Mittel, die Objekte des Wettbewerbs, um die sich die profilierten Hochschulen streiten sollen (vgl. Kapitel 3.1.3). Peter Graf Kielmansegg bezeichnete den "Wettbewerb um Studenten" als "das Schwungrad eines wettbewerbsorientierten Hochschulsystems". Wettbewerb um StudentInnen sei institutioneller Wettbewerb, "das heißt Wettbewerb zwischen den Hochschulen; Wettbewerb, von dem Leistungsimpulse vor allem für die Lehre ausgehen und marktgesteuerter Wettbewerb. Mit anderen Worten: Wettbewerb, der gerade dort greift, wo unsere Bilanz die größten Defizite auswies."

Vorzug des leistungsstimulierenden Wettbewerbs um StudentInnen in Kielmanseggs Augen: Er beseitigt "eine der größten Schwächen des deutschen Hochschulsystems, daß wir keinerlei Vorkehrungen treffen, um gezielt die guten Studenten mit den guten Professoren zusammenzubringen". Eine solche Zusammenführung setzt eine wahrnehmbare Hierarchisierung der Fachbereiche verschiedener Hochschulen voraus – und vertieft sie gleichzeitig. Für den Mannheimer Politologen ist das "eine der wichtigsten Bedingungen überhaupt für akademische Spitzenleistungen".

Da ist es nur konsequent, wenn das neue Hochschulrahmengesetz im ZVS-Ortsverteilungsverfahren verpflichtend eine sogenannte Leistungsquote einführt, die bis zu einem Viertel der zu vergebenden Studienplätze betragen kann. "Hierdurch soll leistungsstarken StudienbewerberInnen die Möglichkeit gegeben werden, an der Hochschule ihrer Wahl zu studieren, auch wenn sie nicht in deren Einzugsgebiet wohnen." Gleichzeitig werden die Hochschulen mehr an der Auswahl der StudienbewerberInnen in bundesweit zulassungsbegrenzten Studiengängen beteiligt – sie dürfen nun selbst Zugangsverfahren vorschreiben. Der Wettbewerb um die Studierenden – und die Kehrseite davon, der Wettbewerb der Studierenden um Studienplätze – funktioniert nur, wenn die Hochschulen möglichst frei entscheiden können, wer sich bei ihnen einschreiben darf. Um den Ansprüchen des Verfassungsgerichts zu genügen, gibt es weiter eine Quote von Studienplätzen, die nach der Wartezeit der BewerberInnen vergeben werden. (Das Bundesverfassungericht hielt es für nicht gerechtfertigt, die Zulassung ausschließlich nach dem auf Abiturnoten fußenden Leistungsprinzip vorzunehmen: "Eine ausnahmslose Anwendung des Leistungsprinzips würde aber bei Erschöpfung der Gesamtkapazität chancenausschließend wirken, nämlich dazu führen, daß ein Teil der hochschulreifen Bewerber von vornherein und auf Dauer vom Studium ihrer Wahl ausgeschlossen bliebe" (BVerfGE, 33, 303 (350).)

Das Thema Hochschulzugang war das erste Arbeitsfeld, mit dem das Centrum für Hochschulentwicklung an die Öffentlichkeit getreten ist. Ende Juni 1995 veröffentlichte es gemeinsam mit dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst die "Leipziger Erklärung", die neben einer Neuregelung des Fächerkanons des Abiturs einen "Wettbewerb der Hochschulen um die Studierenden und [einen] Wettbewerb der Studierenden um die Hochschulen" fordert. Die verfassungsrechtlichen Aspekte ließ das CHE mit einem juristischen Gutachten klären.

In Baden-Württemberg dürfen sich die Hochschulen nach einer im Sommer 1996 von der CDU/FDP-Landesregierung beschlossenen Novelle des Landeshochschulgesetzes 40 Prozent der StudentInnen "nach Eignung und Motivation" aussuchen (HENKEL) – also schon vor der Änderung des Hochschulrahmengesetzes. "Wir sehen das sehr positiv", sagte der Mannheimer BWL-Professor Martin Weber dem Spiegel. Er und seine Kollegen würden am liebsten alle Studienanfänger "aussuchen, weil wir glauben, daß wir dann noch bessere Studenten hierher bekommen".

Torsten Bultmann betrachtet die Eingangsprüfungen im Kontext einer neoliberalen Bildungs- und Wissenschaftspolitik mit ihrer Strategie der Individualisierung gesellschaftlicher Risiken. Rechtsformalistische Gleichheits- und Gleichwertigkeitsgarantien, wie sie in der staatlichen Steuerung des Bildungssystems noch vorhanden sind, würden abgebaut, das Recht auf Bildung werde mit einer (marktangepaßten) Qualifizierungspflicht ersetzt. "In der Hochschulgesetzgebung könnte sich dies darin ausdrücken, daß eine allgemeine Hochschulzugangsberechtigung, wie sie im Regelfall durch das Abitur erworben wird und im Konfliktfall als Recht auch einklagbar ist, durch die individuelle Pflicht ersetzt wird, die persönliche 'Eignung' für einen bestimmten Studienplatz nachweisen zu müssen."


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Michael Bayer, 27. Mai 2001