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Zwischenbilanz


Für sich genommen gibt es ernst zu nehmende Einwände gegen die geschilderten Eckpunkte der Reform: "Wenn die Hochschulen bei steigender Studentenzahl mit weniger Geld auskommen müssen, ist es für sie eher eine Last als eine Lust, die ihnen zugewiesenen Mittel auf die einzelnen Fachbereiche und Institute zu verteilen", kommentiert die FAZ unter der Überschrift "Mogelwort Autonomie. Globalhaushalte sind unter den gegenwärtigen Bedingungen also eher Strick als goldene Kette. Soll, wie es der Anspruch ist, die Effizienz in der Lehre mit leistungsbezogenen Mitteln verbessert werden, sind inhaltliche Zielvorgaben für jedes Studienfach und deren Fachrichtungen nötig – die sich aber nur schwerlich und kaum einheitlich ermitteln lassen. Selbst wenn, bedürfte es weiter qualitativer Kriterien, um die Effizienz messen zu können. Die Hochschulleitungen zu stärken heißt, die wenigen noch vorhandenen demokratischen Elemente in der Hochschulselbstverwaltung abzubauen. Eingangsprüfungen der Hochschulen entwerten das Abitur, und Studiengebühren werden wahrscheinlich sozial unausgeglichen die Zahl der StudentInnen verringern – entgegen dem Bedarf der Wirtschaft.

Alle diese Reformpunkte haben jedoch einen Vorzug: Konsequent umgesetzt, bewirken sie eine wettbewerbsbezogene Steuerung der Hochschulen – und werden dabei die Studiengänge zweiteilen und die Hochschulen hierarchisieren. Wer diesen Zusammenhang nicht sieht, wird die genannten Aspekte falsch einordnen und beispielsweise zu dem Trugschluß kommen, "die sich abzeichnenden Umstrukturierungen an den Hochschulen sind in erster Linie von finanzpolitischen Überlegungen und Notwendigkeiten geprägt" (BECKER).

Das neue Hochschulrahmengesetz ist ein weiter Schritt zur Umsetzung des Reformkonzepts "Differenzierung und Wettbewerb". Es bringt Globalhaushalte, leistungsbezogene Mittel, die Evaluation, ermöglicht Länderregelungen für eine Stärkung der Hochschulleitungen, bringt erste Eingangsprüfungen der Hochschulen und verbietet zumindest keine Studiengebühren. Konsequenterweise setzt an den beiden letztgenannten Punkten die konservative Kritik an. So kritisiert der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstags, Hans Peter STIHL, die HRG-Novelle: "Sinnvoll wäre es freilich gewesen, gleich Nägel mit Köpfen zu machen und mit einem [gemeint ist wohl: generellen, d.V.] Auswahlrecht der Hochschulen und differenzierten Studiengebühren dem Qualitätswettbewerb einen kräftigen Schub zu geben."

Das sollte nicht den Blick darauf versperren, daß die Auswirkungen des Hochschulrahmengesetzes, ganz so wie es der WISSENSCHAFTSRAT 1993 forderte, "traditionelle Grundsätze der deutschen Universität zur Disposition" stellen: allen voran die Einheit von Forschung und Lehre für alle Universitätsmitglieder und das Prinzip der Selbstverwaltung. Mit dem Prinzip Wettbewerb zwingt der Staat den Hochschulen zudem das Ziel auf, so gut wie möglich für die Interessen der Unternehmen auszubilden und zu forschen. Das hat wenig mit der angeblich steigenden Hochschulautonomie zu tun. Das Wettbewerbskonzept kann gesehen werden als indirekte politische Steuerung – eine Steuerung, die dann ihr Ziel erreicht hat, wenn sie überflüssig geworden ist, wenn also nur noch die Mechanismen des Marktes greifen.

Daß es soweit kam, ist neben dem breiten bildungspolitischen Konsens auch Ergebnis der Strategie des Centrums für Hochschulentwicklung, jeden einzelnen Eckpunkt mit unterschiedlichen BündnispartnerInnen voranzutreiben. Die Zeit (KERSTAN) zitiert CHE-Leiter Detlef Müller-Böling, es gelte von der reinen Angebotsorientierung wegzukommen und "die Nachfrage ins Spiel" zu bringen. Und dann fügte der Autor hinzu: "Wenn man sieht, wie hartnäckig und gnadenlos erfolgsorientiert die Bertelsmann Stiftung ihre Projekte verfolgt, ist dieser Ausblick ernster zu nehmen als manche Ministererklärung." Diese Einschätzung bedarf keiner Ergänzung.


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Michael Bayer, 27. Mai 2001