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Leistungsbezogene Mittel


"Die staatliche Finanzierung der Hochschulen orientiert sich an den in Forschung und Lehre sowie bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses erbrachten Leistungen." Von diesem Satz – § 5 des neuen Hochschulrahmengesetz – versprach sich die konservativ-liberale Bundesregierung und mit ihr die anderen VerfechterInnen einer marktorientierten Steuerung der Hochschulen viel.

Als "wesentliches Element der Hochschulreform" bezeichnet die Gesetzesbegründung die Umstellung der staatlichen Hochschulfinanzierung von einer leistungsunabhängigen, input-orientierten Finanzierung auf eine leistungsabhängige, output-orientierte Ressourcenverteilung. Denn: Mit der neuen Finanzierung "besteht an einer effizienten Studien- und Forschungsorganisation, an einer Reform der Studiengänge, die ein Studium innerhalb der Regelstudienzeiten ermöglicht, sowie an der Bereitstellung des hierzu erforderlichen Lehrangebots ein eminentes Eigeninteresse der Hochschulen".

Die konkrete Ausfüllung der Vorgabe bleibt den Ländern überlassen. Daß die damit nicht vor einer völlig neuen Situation stehen, wurde am Beispiel Hessens bereits erläutert. Und nicht nur dort gab es schon vor dem Beschluß der Kultusministerkonferenz zur Differenzierung der Mittelverteilung im Hochschulbereich aus dem Jahre 1996 entsprechende Ansätze, Leistungsmessungen und -bewertungen zur Grundlage von Verteilungsentscheidungen zu machen. Nordrhein-Westfalen startete als erstes Bundesland bereits 1992 einen Modellversuch. Eine Situationsbeschreibung der KMK listet auch Projekte in Niedersachsen (seit 1993), Rheinland-Pfalz (seit 1994) sowie Bayern und Sachsen (seit 1995) auf. Der Umfang der leistungsbezogen vergebenen Mittel schwankte zwischen einem Prozent (Niedersachsen) und 5,8 Prozent (Rheinland-Pfalz) des Gesamthaushaltsvolumens der Hochschulen.

Die Kriterien, auf die sich die Kultusministerkonferenz nach internationalen Vergleichen einigte, stehen für ein relativ grobes, nur wenige Indikatoren anwendendes Verfahren, das der Staat bei seiner Mittelverteilung anwenden soll. Die KMK setzt voraus, eine Mittelverteilung innerhalb der Hochschulen wendet differenziertere Verfahren an. Als Parameter der Leistung einer Hochschule in der Lehre seien geeignet

Für die Forschung indes sei die Anwendung von aufgaben- und leistungsbezogenen Indikatoren schwierig und umstritten. Als Anhaltspunkte könnten dennoch dienen

Die Hessische Hochschulstrukturkommission hatte ein Jahr vor dem KMK-Beschluß eine Erfolgs- und Leistungsmessung anhand solcher Kennzahlen noch als hochproblematisch bezeichnet, "weil Kreativität, Qualität in Forschung und Lehre sowie allgemeine Bildungsaufgaben nicht über einen einfachen Leisten geschlagen werden können. Darin aber besteht gerade das Dilemma; denn der Ausweg nach dem bisher Gesagten kann nicht sein, auf Steuerungseffekte durch Anreizsysteme zu verzichten."

Um Fehlentwicklungen zu vermeiden oder zumindest in ihrer Wirksamkeit möglichst gering zu halten, müßten Anreizsysteme neben quantifizierbaren Elementen auch qualitative (von fachlicher, politischer etc. Beurteilung abhängige) Elemente enthalten. Genau die fehlen aber im KMK-Beschluß und in den Vorschlägen der HRG-Begründung. Nicht ohne Grund: Als generelle Anforderung hinsichtlich der Brauchbarkeit der Parameter definierte die KMK, die Daten müßten leicht, ohne großen Aufwand und möglichst zeitnah erhoben werden können; die Parameter müßten sich auf vergleichbare Sachverhalte beziehen und nach verbindlich festgelegten Verfahren gebildet sein. Diese Bedingungen können nur quantitative Kriterien erfüllen.

Der Hannoveraner Wirtschaftstheoretiker Franz Haslinger hat grundsätzlich Bedenken gegen Effizienzfaktoren als Kriterium der Mittelvergabe an Hochschulen. Soll die Qualität der Ausbildung in die Rechnung eingehen, sei beispielsweise zu fragen: Wann sind AbsolventInnen möglichst gut ausgebildet? Haslinger nimmt "hohe selbständige Problemlösungsfähigkeit" oder "breite Fachkenntnis" an und erklärt, da keine Hochschule eine universelle Problemlösungskapazität vermitteln könne, müsse geklärt werden, welche Probleme AbsolventInnen auf jeden Fall lösen können sollten. "Das setzt eine Gewichtung in 'bedeutendere' und 'unbedeutendere' Problemfelder voraus, für die kaum objektive Maßstäbe existieren." Es fehlt also ein genaues Ziel – und ohne Ziel gibt es definitionsgemäß keine Effizienz. Unklare Zielfestlegungen, Schwierigkeiten bei der Operationalisierung der komplexen und größtenteils qualitativen Konzepte lassen für Haslinger Zweifel an der Zulässigkeit von Effizienzbeurteilungen zu.

Die Bundesregierung schreibt, die Leistungskriterien könnten künftig angepaßt und gegebenenfalls auch um qualitative Komponenten ergänzt werden. "Daß dieser Weg eines pragmatischen Vorgehens praktikabel ist, zeigen die Erfahrungen aus dem europäischen Ausland". Das sieht nach einem Versuch aus, die Lösung des Dilemmas in die ferne Zukunft zu verschieben.

Voraussetzung für eine Mittelverteilung nach Kriterien, schreibt die Kultusministerkonferenz, sind "vermehrte Anstrengungen zur Verbesserung der Steuerungsmechanismen und Leitungsstrukturen sowie zur Evaluierung der Lehr- und Forschungsleistungen". Damit sind die beiden folgenden Gliederungspunkte genannt.


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Michael Bayer, 27. Mai 2001