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Staatlicher Einfluß auf Wirtschaft und Hochschulen


Wenn die Bildungspolitik nur noch eine Unterabteilung der Wirtschaftspolitik ist, liegt die Vermutung nahe, die Regierungen handeln in Bildungsfragen nach ähnlichen Maximen wie in Wirtschaftsfragen. Konkret: Das Verhältnis Staat und Hochschule im Spannungsfeld zwischen Hochschulautonomie und Hochschulplanung könnte sich an den wirtschaftspolitischen und wirtschaftswissenschaftlichen Konzepten zwischen freiem Markt und Staatsintervention orientieren.

Mit dem – besonders in bezug auf die Organisationsstruktur der Hochschulen – deregulierten "Hochschulrahmen light"  und den Globalhaushalts-Konzepten bekommen die Universitäten und Fachhochschulen zunächst einen größeren Handlungsspielraum. (Vorausgesetzt, die Länderregierungen füllen die deregulierten Lücken des Hochschulrahmengesetzes nicht mit eigenen Vorschriften aus.) Gerade Globalhaushalte werden häufig gelobt als Mittel zur Stärkung der Hochschulautonomie – was für sich betrachtet auch schlüssig ist. Sieht man sie jedoch als Voraussetzung einer leistungsbezogenen Mittelvergabe nach vom Gesetzgeber festgelegten Kriterien und im Kontext der schwindenden Mitbestimmungsrechte der Hochschulgremien, bleibt von der neuen Autonomie nicht viel übrig. Wer - wie GREVEN - das nicht berücksichtigt und Globalhaushalte als "politischen Steuerungsverzicht" wertet, der den Hochschulgremien "echte Entscheidungskompetenzen" und den studentischen VertreterInnen dort mehr Einfluß bringe, formuliert theoretische Abhandlungen, die mit der Realität wenig zu tun haben.

Selbst wenn die Autonomie der Hochschulen gestärkt würde, bliebe die Frage, wer mit Hochschule gemeint ist. Als Denninger, von Friedeburg, Habermas und Wiethölter in ihren "Grundzügen für ein neues Hochschulrecht"  – wie zuvor der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS)  – Globalhaushalte vorschlugen, forderten sie gleichzeitig eine demokratische innere Struktur der Universitäten; Hochschule in diesem Sinne ist die Gemeinschaft der Menschen, die dort arbeiten, lernen und forschen. Die Hessische Hochschulstrukturkommission besaß den Mut, sich ausdrücklich und mehrfach auf Denninger u.a. zu berufen, gleichzeitig aber – im Einklang mit den anderen VerfechterInnen des Wettbewerbs – sämtliche wichtigen Entscheidungsbefugnisse in den Hochschulen auf die Exekutive verlagern zu wollen. Hier würden mehr Kompetenzen für die Hochschulen bedeuten: mehr Kompetenzen für die Hochschulleitungen. Wie bei der manchmal offenkundig bewußt allgemein gehaltenen Forderung nach einer Differenzierung der Hochschulen stehen auch hier hinter gleichen Begriffen völlig unterschiedliche bildungspolitische Ziele.

Eine gewisse zeitliche Parallelität, was staatliche Einflußnahme in Wirtschaft und Bildung betrifft, ist, wenn auch jeweils mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, besonders in den ersten Jahrzehnten der bundesrepublikanischen Geschichte durchaus erkennbar. Nach dem Zweiten Weltkrieg hielten sich die Regierungen in Bund und Ländern in beiden Politikfeldern mit Eingriffen zurück. Das änderte sich Anfang der sechziger Jahre. Nach 1966 verband der Staat den Ausbau der Hochschulen mit einem strukturellen Umbau, der die Autonomie der Universitäten einschränkte. Etwa zur gleichen Zeit begann die Politik, sich nach keynesianischem Muster weitreichend auch in wirtschaftliche Abläufe einzumischen und schuf sich mit dem Stabilitätsgesetz das entsprechende Instrumentarium.
Seit Mitte der siebziger Jahre lief die Entwicklung auseinander: Staatliche Eingriffe in wirtschaftliche Abläufe waren rückläufig, nahmen in Bildungsfragen dagegen drastisch zu. Das erschien nötig, um die Folgen einer abgebrochenen Bildungsreform aufzufangen, die sozialpolitischen Motiven geschuldet war: Als sich zeigte, daß sich wichtige Ziele der Reform nicht umsetzen ließen, sorgte der Gesetzgeber mit umfassenden Regulierungen dafür, daß das Bildungswesen weiter einigermaßen funktionierte.

Mit der Kohl'schen Wende 1982 zu einer neoliberalen Politik sollte der unmittelbare staatliche Einfluß aus der Ökonomie zurückgedrängt werden. Zumindest in den achtziger Jahren war es jedoch bei Schlagworten geblieben: "Der propagierte Rückzug des Staates aus der Wirtschaft fand bisher nicht statt" (AMBROSIUS). Erst in den neunziger Jahren startete die Bundesregierung Privatisierungen. Der Ruf nach Wettbewerb ereilte die Hochschulen etwa zur gleichen Zeit, kurz nach dem Regierungswechsel. Aber auch hier blieb es zunächst beim Reden. Die Novelle des Hochschulrahmengesetzes, die Marktstrukturen in der Bildung einführt, war eines der letzten Projekte der 16jährigen CDU/CSU-FPD-Koalition. Ein Rückzug des Staates im Sinne einer wirklichen Hochschulautonomie ist damit nicht verbunden; das HRG implementiert nicht eine geringere staatliche Steuerung, sondern schlicht eine andere – von der BeobachterInnen erwarten, daß sie weit einschneidender als die bisherigen direkten Eingriffe ist: Traditionelle Grundsätze der deutschen Universität stehen zur Disposition, macht der Wissenschaftsrat klar.  Die Parallelität scheint wieder hergestellt.

Die Korrespondenz des staatlichen Handelns in Bildungs- und Wirtschaftsfragen läßt sich auch verstehen als weiteres Indiz für ein Primat des wirtschaftspolitisch begründeten staatlichen Handelns in bezug auf die Hochschulen. Charakteristischerweise war diese Parallelität Mitte der siebziger Jahre als Folge einer dezidiert gesellschaftlich begründeten Bildungspolitik vorübergehend ausgesetzt.


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Michael Bayer, 27. Mai 2001