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Ranking-Spiele

Das CHE macht mit Hochschul-Hitlisten Politik

Von Michael Bayer
Zuererst erschienen auf der Hochschulseite der Frankfurter Rundschau, 26. April 2001

Ausverkauft, hieß es an manchen Kiosken schon am Tag, nachdem das Spezialheft des Stern in die Regale gekommen war. Schüler hatten den "Studienführer 2001" mitgenommen - und noch mehr Eltern, die sich um die Zukunft ihres Nachwuchses sorgen, wie die Händler zu berichten wussten. Immerhin hatte Chefredakteur Thomas Osterkorn die "größte Studie, seit es in Deutschland Hochschulrankings gibt", angekündigt. Die den Hamburgern neben dem 200-Seiten-Extra auch die Aufmachung ihres Wochenmagazins wert war: "Die besten Hochschulen."

Gekürt wurden die Sieger und Verlierer von dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) - einer Einrichtung der Hochschulrektorenkonferenz und vor allem der Bertelsmann Stiftung. Es versteht sich laut Selbstdarstellung als "Denkfabrik und als Berater für das deutsche Hochschulsystem". Die Rankings kennen keine Gesamtsieger, sie ordnen die Fachbereiche in Spitzen-, Mittel- oder Schlussgruppen ein - in Rubriken wie Forschung (gleichgesetzt mit der Höhe der Drittmittel), Studiendauer, Betreuung sowie Bewertungen von Studierenden und Professoren. Zudem werteten die Gütersloher weitere Zahlen aus, um die "besten Hochschulen für jeden Typ" zu ermitteln - für Zielstrebige, Forscher und Praktiker. Die Methoden für solche Aufstellungen sind jeher umstritten. Lange Zeit wurde die Fixierung auf quantitative Größen bemängelt. Nun, da Bewertungen einfließen, spricht die Universität Bonn von einem Kuschelranking: "Durch die Abfrage weicher und subjektiver Kriterien wie der Einschätzung des eigenen Studiengangs beziehungsweise der eigenen Universität durch die Studierende und Professoren verliert das Ranking an Aussagekraft."

Eines indes braucht nicht interpretiert werden - die Aktualität der Daten. Und an der hakt es teilweise beim Stern-Ranking: Von den 16 Studiengängen, die das Sonderheft vorstellt, wurden gerade einmal fünf aktuell ausgewertet: Anglistik / Amerikanistik, Erziehungswissenschaften, Germanistik, Geschichte und Psychologie. Die Angaben zu allen anderen Studiengängen stammen aus den Jahren 1998 bis 2000. Die Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmensführung (WHU) in Koblenz ließ es sich dennoch nicht nehmen, auf ihr Abschneiden im Fach Betriebswirtschaft "in dem heute erschienenen Stern spezial" hinzuweisen. Können solche Rankings überhaupt seriös sein? Dass Kritik aufkommen würde, ahnte die Hochschulrektorenkonferenz bereits im Jahr 1985, als sie in ihren richtungsweisenden "Empfehlungen zum Wettbewerb im deutschen Hochschulsystem" solche Tabellen forderte: "Werden Daten, Verfahren und Einschätzungen angefochten, so sollten solche - zumal anfangs nicht zu vermeidende - Einwendungen primär als Anregung zu vermehrter und vertiefter Diskussion aufgenommen werden", machte sie aber Mut. Denn die Aufstellungen, ob realitätsnah oder nicht, leisten für die Verfechter einer differenzierten Hochschullandschaft wichtige Dienste: Sie zerstören den Mythos von der Homogenität des deutschen Hochschulsystems. "Alle Hochschulen sind gleich ? Von wegen" - so übersetzt das der Stern.

Die Bildungseinrichtungen sollen sich auseinander entwickeln, Profile bilden, wie das oft freundlich umschrieben wird. Das bringt vielen etwas - und wurde daher Anfang neunziger Jahre zum breiten Konsens: Die Politik freut sich über Einsparmöglichkeiten, weil nicht mehr alle Hochschulen jedes Fach anbieten müssen. Die Wirtschaft bekommt Spitzenforscher und auf hohem Niveau qualifizierte Absolventen für Führungsaufgaben einerseits, und viele berufsorientiert geschulte Absolventen für Standard-Aufgaben andererseits. Und obendrein bedient ein solches Modell konservative Elitevorstellungen von Bildungsverbänden.

So richtig in Gang kommt der Wettbewerb freilich nur, wenn sich die Studienanfänger darauf einstellen - und nicht bequem in der nächst gelegenen Hochschule Platz nehmen: "Unter den Motiven der Studenten bei der Wahl der Hochschule muss das Interesse, an einer möglichst angesehenen, guten, leistungsfähigen Fakultät zu studieren, das Bestimmende sein", erklärte das der Mannheimer Politologe Peter Graf Kielmansegg der Hochschulrektorenkonferenz schon im Jahr 1984. Und fügte hinzu: "Möglich ist das nur dann, wenn Leistungsniveau und Leistungsprofil der Hochschulen nicht schamhaft verschwiegen, sondern in sorgfältigem Vergleich ermittelt und öffentlich gemacht werden." Inzwischen, nach dem sich Spiegel, Focus und Stern dieser Aufgabe angenommen haben, werden Erfolge vermeldet: "Studenten orientieren sich zunehmend an Rankings, das haben Befragungen von Erstsemestern ergeben", behauptet CHE-Chef Detlef Müller-Böling im aktuellen Stern-Aufmacher.

Positionen des Centrums für Hochschulentwicklung finden sich in der Illustrierten auch, wenn nicht Müller-Böling dabei steht - etwa wenn ein Münchener Betriebswirtschafts-Professor die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) als Folterinstrument beschimpfen oder die nordrhein-westfälische Bildungsministerin Gabriele Behler sagen darf, "es können nicht mehr alle Unis alle Fächer anbieten".

Das passt in die Rolle, in die das CHE von Anfang an schlüpfte: Es zieht die bildungspolitischen Fäden im Hintergrund. Nachdem es 1994 mit dem Ziel antrat, "in Hochschulen und Gesellschaft Akzeptanz für eine leistungsorientierte und wettbewerbliche Steuerung von Hochschulen zu erzielen", ging das Centrum mit Studien und Tagungen an die &oauml;ffentlichkeit, die seine Positionen untermauern - beispielsweise die Forderung nach Studiengebühren oder verstärkter Mitsprache der Hochschulen bei der Auswahl der Studenten.

Zudem startete Müller-Böling mit verschiedenen Partnern so genannte Modellversuche. Das CHE testete zusammen mit dem Land Niedersachsen und einzelnen Hochschulen anderer Länder Globalhaushalte. Mit der Hochschulrektorenkonferenz und dem Nordverbund - einer Gemeinschaft der Universitäten Bremen, Hamburg, Oldenburg und Rostock - entwickelte es Evaluations-Methoden. Und in Sachen Führungs- und Organisationsstruktur startete das Centrum Projekte mit der Fachhochschule Hamburg und den Universitäten Nürnberg / Erlangen, Osnabrück und Kiel. Aus vielen Modellen wurde spätestens mit der Novelle des Hochschulrahmengesetzes von 1998 die Regel - ein Erfolg vor allem für das CHE.

Ein Ergebnis, das sich auch als Niederlage der Bildungspolitik sehen lässt. Die arrangiert sich nicht nur mit den Vorgaben der Finanzressorts. Sie verzichtet auch auf den inhaltlichen Diskurs. Der wird anderswo forciert und geführt - vornehmlich in Gütersloh. Dort sitzen auch die letztlich Verantwortlichen für den Stern: Die Illustrierte ist das Flaggschiff des Verlags Gruner und Jahr, der wiederum mehrheitlich zu Bertelsmann gehört. Der eine Stiftung unterhält. Die das Centrum für Hochschulentwicklung ins Leben rief. Etwas mehr Wettbewerb und Profilbildung bei der hochschulpolitischen Arbeit hätte beiden Teilen des Konzerns gut getan.

Eine Onlineversion des Rankings gibt es unter www.stern.de/studienfuehrer. Das Centrum für Hochschulentwicklung ist mit der Adresse www.che.de im Netz.


Michael Bayer, 27.5.2001