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Wettbewerb zur indirekten Steuerung der Hochschulen


Eine über die Typisierung der Hochschulen hinausgehende Differenzierung – damit sollen die Universiäten und Fachhochschulen nach Ansicht von Politik und Wirtschaft reagieren auf die gestiegene Zahl der Studierenden und dem Bedarf der Unternehmen an Spitzenforschung und höchstqualifizierten AbsolventInnen einerseits, an vielen akademisch vorgebildeten MitarbeiterInnen andererseits. Daß die Hochschulrektorenkonferenz diesem Plan folgen würde, war Mitte der achtziger Jahre nicht absehbar. Zudem war die Zustimmung der Hochschulleitungen keine Garantie dafür, daß die gremiengesteuerten Einrichtungen vor Ort tatsächlich dem Differenzierungskonzept folgen würden.

Die langjährige Erfahrung lehrte Skepsis: Vorschläge habe es in den vorangegangenen 20 Jahren genug gegeben, raunte der Wissenschaftsrat 1993, der das wahrlich behaupten kann. Doch mangels "zieladäquater Regel- und Steuerungsmechanismen und eines entscheidungsfähigen Hochschulmanagements"  sei deren Umsetzung gescheitert an dem Strukturkonservatismus der Hochschulen. Selbst ein enggeknüpftes Netz an gesetzlichen und administrativen Regelungen half da nicht weiter, wirkte am Ende im Gegenteil kontraproduktiv. Die Hochschulen, so schien es letztlich, sind von außen gar nicht steuerbar.

Auf der Grundlage dieser Analyse und dem gesamtpolitischen Mainstream einer neoliberalen Deregulierung und Stärkung der Marktmechanismen brachte ein Jahr nach ihrer Amtsübernahme die konservativ-liberale Bundesregierung 1983 die Idee ins Gespräch, die Hochschulen indirekt über Wettbewerbsmechanismen zu steuern. Der Politologe Peter Graf Kielmansegg bahnte diesem Konzept 1984 mit einer grundlegenden Rede vor der Hochschulrektorenkonferenz den Weg; der Wissenschaftsrat legte ein Jahr später darauf basierende, ausgefeilte "Empfehlungen zum Wettbewerb im deutschen Hochschulsystem" vor.

Kernpunkte der wettbewerbsorientierten Steuerung sind sogenannte Leistungsanreize. Neben der Reputation ist damit vor allem die Höhe der staatlichen Mittel gemeint. Die Fachbereiche, Lehrenden oder Studierenden, die bestimmte Ziele, die wiederum mit bestimmten Kriteri-en gemessen werden, am besten erfüllen, bekommen die meisten Annehmlichkeiten – Geld, Ruhm oder einen Studienplatz an einem angesehenen Fachbereich samt Karriereperspektive. Davon versprechen sich die BefürworterInnen marktgesteuerter Hochschulen nicht ohne Logik "Umorientierungen und Verhaltensänderungen bei Wissenschaftlern und Studierenden". Damit ist klar: Wer die Ziele und Kriterien, also die Anreize festlegt, steuert indirekt, ex post die Hochschulen und ihre Mitglieder. Mit dieser sogenannten leistungsbezogenen Mittelvergabe werden einige Fachbereiche und Projekte belohnt, andere bestraft. Das führt langfristig dazu, daß dank guter finanzieller Rahmenbedingungen die anerkannten Fachbereiche und Projekte immer besser werden können, die anderen bei konstanten Mitteln folglich schlechter. Damit besorgt die Wettbewerbssteuerung gleichzeitig die gewünschte Differenzierung, die Hierarchisierung der Hochschulen.

Zunächst sind jedoch einige Voraussetzungen zu schaffen. Die Hochschulen brauchen Handlungsspielraum, vor allem in finanziellen Fragen. Weil die Universitäten und Fachhochschulen auch intern die Mittelvergabe an Kriterien binden sollen, sind statische Posten im Landeshaushalt unpassend; verschiedene Globalhaushalt-Konzepte stehen hier zur Abhilfe bereit. Nötig ist ferner eine empirische Grundlage, um die Kriterien anwenden zu können; liefern soll sie die Evaluation. Gleichzeitig macht diese Bestandsaufnahme transparent, wo im Markt sich Fachbereiche, Lehrende und Studiengänge positionieren – Grundlage eines funktionierenden Wettbewerbs.

Daß die gruppengesteuerten Gremien die neue Art der Mittelverteilung unterstüzten, also beispielsweise Fachbereich A zugunsten von Fachbereich B auf Geld verzichtet, ist unwahrscheinlich. (Wer die Arbeit von Hochschulgremien verfolgt, wird feststellen, daß dort nicht selten staatliche Vorgaben zur Mittelverteilung mit kühnen Definitionen und Rechenkunststücken ausgehebelt werden zugunsten "bewährter" Verteilungsmodelle.) Konsequent ist deshalb, die Kompetenzen dieser Gremien zugunsten des Einflusses der Hochschulleitungen zu beschränken – zumal ja die HochschulrektorInnen ihre Mitarbeit am Konzept Differenzierung und Wettbewerb zugesagt haben. Richtig in Gang kommt der Wettbewerb, wenn sich die Fachbereiche ihre Studierenden selbst auswählen können – und vor allem, wenn den StudentInnen Geld folgt. Das Hochschulrahmengesetz ist in seiner neuen Fassung der Einstieg in besondere Zugangsprüfungen einzelner Hochschulen; Studiengebühren wurden zumindest nicht verboten und sind in einigen Ländern bereits eingeführt – in Form von Einschreibegebühren oder Strafzahlungen für Studierende, die die Regelstudienzeit um eine bestimmte Frist überschreiten.

Der Wettbewerb wird die Bürokratie ersetzen: neue Entscheidungs-, Verantwortungs- und Leistungsbewertungsmechanismen innerhalb der Hochschulen steuern die Hochschulen – freilich nach Kriterien, die von außen vorgegeben werden.


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Michael Bayer, 27. Mai 2001