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Argumente gegen Studiengebühren (5)

Volkswirtschaftliche Argumente der Bildungsökonomie gegen Studiengebühren


In einem sind sich alle Studien zur Zukunft der Arbeit einig: Es werden mehr qualifizierte Arbeitskräfte benötigt werden als heute "produziert" werden und der Bedarf an HochschulabsolventInnen wird sehr stark ansteigen (BfA, MCKinsey, Tessaring). Bedarf an HochschulabsolventInnen steigt bis zum Jahre 2010 um 80 %! [Tessaring (1991) stellvertretend für viele] Wer vor diesem Hintergrund vor der "drohenden Akademisierung der Gesellschaft" wie Kanzler Kohl warnt oder weiterhin behauptet, es gäbe zuviele Studierende, lügt schlechtweg und ist - so würden es die Politker zumindest ausdrücken - "eine Gefahr für unsere Zukunft". Selbst Kultusminister Zehetmair spricht in jüngster Zeit davon, daß Meldungen, wie "Mehr Studenten als Lehrlinge" ein schiefes Bild vermitteln würden. Auch das spricht für seine Lernfähigkeit, da er noch vor einem Jahr mit gerade diesem Argument ebenfalls vor den zuvielen Studenten gewarnt hatte.

Wer so tut, als ob nur jedeR einzelne Studierende individuellen Nutzen aus seinem Studium ziehen würde und folglich dafür auch zur Kasse gebeten werden müsse, mißachtet den hohen volkswirtschaftlichen Nutzen jeder Bildung, der allen - insbesondere Unternehmen und dem Staat - zugute kommt. Die Bildungsökonomie errechnet einen zwischen 20- und 80-prozentigen Anteil der Bildung am volkswirtschaftlichen Wachstum! Selbst, wenn wir die mageren 20 % nehmen und von einem mageren wirtschaftlichen Wachstum mit einem Volumen von 50 Mrd. DM ausgehen, kommen wir auf 10 Mrd. DM, um die allein aufgrund der Bildung unsere Volkwirtschaft in einem einzigen Jahr angewachsen ist. Die Bildungsausgaben amortisieren sich auf jeden Fall und sind in Deutschland die wichtigste Größe wirtschaftlichen Wachstums und Fortschritts!

Der Beitrag der Bildung zum qualitativen wirtschaftlichen Wachstum dürfte noch um einiges höher liegen, und auf dieses Wachstum wird es in Zukunft ankommen. Bildungs- und gesellschaftspolitische Argumentation gegen Studiengebühren Die Gebührenfreiheit des Studiums ist eine wesentliche Errungenschaft unseres Gemeinwesens, das sich zur Förderung von Kultur und sozialem und wissenschaftlichem Fortschritt verpflichtet hat. Bildung ist ein Grundrecht. Studiengebühren - gleich welcher Form - widersprechen dem freien und gleichberechtigten Zugang zur Hochschulbildung und damit dem Grundrecht einer freien Berufswahl. Diese beiden Rechte sind heute schon sehr eingeschränkt und müssen in ihrer praktischen Umsetzung stark verbessert werden.

Studiengebühren widersprechen dem Grundsatz der Chancengleichheit. Der Hochschulzugang würde durch die Erhebung von Studiengebühren eine Frage der finanziellen Leistungsfähigkeit der Studierwilligen und immer weniger eine Frage der individuellen Befähigung und Neigung. Besonders Frauen würde der Hochschulzugang erschwert. Wenn sich Eltern entscheiden müssen, ob sie Sohn oder Tochter ein Studium finanzieren, wird die Tochter meist den Kürzeren ziehen. Die schon vorhandene strukturelle Benachteiligung von Frauen in der Gesellschaft wird dadurch noch verstärkt.

Studiengebühren führen zu einer Entdemokratisierung der Gesellschaft. Bildung ist Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie in unserer technologisierten Informationsgesellschaft und muß daher allen gesellschaftlichen Schichten zugänglich sein. Forderung nach einer Hochschul- und Studienreform unter gleichberechtigter Einbeziehung der StudentInnen Studiengebühren reduzieren Bildung auf ein Konsumgut und vernachlässigen die Tatsache, daß Bildung Investition in Wohlstand und Gesellschaft ist. Bildung ist nicht zu stutzen auf reine Aus-Bildung, es geht auch um die Vermittlung von sozialem Lernen, usw.. Bildung ist also ein öffentliches Gut. Deshalb hat der Staat Aktivitäten in diesem Bereich zu Recht dem Markt entzogen, so daß diese nicht mehr dem Prinzip der Profitmaximierung unterliegen. Bildung ist ein Menschenrecht und muß als solches frei und kostenlos bleiben bzw. werden und allen sozialen Gruppen zugänglich sein.

Wir fordern eine Aufstockung der finanziellen und personellen Mitteln gemäß den Forderungen der Hochschulrektorenkonferenz 1992 in Höhe von 9,0 Mrd. Mark. Die HRK sollte besser diese Forderung mit Vehemenz gegenüber der Politik vertreten, anstatt die Schröpfung sozial Schwacher zu organisieren. Es muß endlich Schluß sein mit der Verleumdung der Studierenden als Langzeit- und Pseudostudierende. Daß die realen Studienzeiten über den Regelstudienzeiten liegen, haben nicht die Studenten und Studentinnen zu verantworten. Die Regelstudienzeiten wurden willkürlich festgelegt und sind absolut realitätsfern. Die Anforderungen der allermeisten Studiengänge sind in dieser Zeit nicht zu erfüllen. Es ist skandalös genug, daß sich die BAföG-Bewilligung immer noch an dieser absurden Zahl orientiert. Dagegen setzen wir die Forderung nach einer Studienreform, die an den Formen der Lehre und den Inhalten statt an Studienzeiten und Finanzen ansetzt. Auch wir sind an einer echten Reform des Studiums interessiert und jederzeit bereit, in die Diskussion darüber einzusteigen. Solange jedoch ausschließlich Mängelverwaltung betrieben wird, und über finanzielle Bestrafungen und Einschränkung der Bildungsmöglichkeiten billigend die Zukunftschancen junger Menschen und damit unserer Gesellschaft aufs Spiel gesetzt werden, ist mit unserem Widerstand zu rechnen.


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bay, 15.3.1999, URL www.michael-bayer.de