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Argumente gegen Studiengebühren (4)

Soziale Gründe gegen Studiengebühren


Studiengebühren stellen einen sozialen Numerus clausus dar. Allein durch ihre Existenz werden sie den freien Zugang zu den Hochschulen begrenzen - auch wenn dies bei einigen Modellen gar nicht intendiert ist. Auch Studiengebühren, die über zinslose Darlehen, bzw. über angehobene BAFöG-Sätze oder über "Gutscheine" kompensiert werden sollen, schrecken Studierwillige - insbesondere die sozial Schwächeren - zwangsläufig ab. Wegen dieser Abschreckungsfunktion können Studiengebühren niemals als sozialverträglich gelten, egal wie ihre soziale Abfederung gestaltet ist. Das Beispiel Bayerns, wo es seit letztem Jahr bereits Studiengebühren für GasthörerInnen gibt, belegt die Abschreckung eindeutig: Die Zahl der Gasthörer ist deutlich zurückgegangen.

Wer für Studiengebühren argumentiert, vergißt trotzdem (fast) nie zu betonen, daß diese sozial abgefedert sein müßten. Dabei wird jedoch nicht auf die soziale Situation des Studierenden selbst Bezug genommen, sondern auf die Einkommenssituation seiner Eltern. So beziehen sich die Pläne für einen "Ausgleich" meistens auf höheres BAföG oder den Familienlastenausgleich. Dies würde in verstärktem Maße bedeuten, daß Studierende finanziell von ihren Eltern abhängig sind und bleiben. Andererseits wird gerade von Studierenden (mehr als vom "Durchschnittsbürger"!) erwartet, daß sie selbständig, verantwortungsvoll, mündig etc. sind. Dann ist es doch mehr als widersprüchlich, wenn sie ausgerechnet in ihrer Existenzgrundlage (denn leider entscheidet ja die finanzielle Situation darüber, ob eineR StudentIn wird oder nicht) und noch lange nach ihrer Volljährigkeit unmündig und abhängig gemacht werden. Nicht umsonst fordern wir immer das elternunabhängige BAföG - die gleichen Argumente gelten auch gegen Studiengebühren, nur daß es hier noch mehr Leute betreffen würde.

Die Eltern, die das Studium ihrer Kinder finanzieren - und das tun sie zumindest teilweise, indem sie ihren Kindern Unterhalt, Miete und/oder Taschengeld zahlen - ermöglichen diesen eine Qualifikation, die nicht nur die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft sichern hilft, sondern auch die Versorgung derjenigen ermöglicht, die selbst keine Kinder erziehen. Familien sind heute schon durch unser Steuer- und Sozialleistungssystem gegenüber Kinderlosen benachteiligt; Studiengebühren würden eine zusätzliche Belastung und Benachteiligung darstellen. Nun aber einige Worte zur sozialen Lage der StudentInnen selber: Die Lebenshaltungskosten der StudentInnen sind in den letzten Jahren stark angestiegen. Wegen der hohen Mieten ist vor allem das Wohnen teurer geworden, aber auch die schlechten Studienbedingungen tun das ihrige, um die studentischen Ausgaben zu erhöhen. Insbesondere die mangelhafte Ausstattung von Bibliotheken an Lehrbüchern zwingt die StudentInnen zur Anschaffung teurer Fachbücher. Ein Fachbuch kostet von 50 DM an aufwärts und man braucht davon leider nicht nur eines pro Semester. So hat die GEW für 1991 durchschnittliche Ausgaben von 1072 DM monatlich pro Studierenden errechnet. Der BaföG-Höchstsatz liegt hingegen nur bei 940 DM. Verglichen mit dem Sozialhilfesatz kann den Studierenden auf keinen Fall Verschwendung vorgeworfen werden.

So ist es denn kein Wunder, daß 1991 7 Prozent der Uni-StudentInnen und 9 Prozent der FH-StudentInnen angaben, daß sie sich verschulden mußten, um ihr Studium zu finanzieren. 20 (Universitäten) bzw. 25 (FH) geben an, daß sie dafür auf Erspartes zurückgreifen müssen und 41 Prozent kommen gerade so mit ihrem Geld aus. Im selben Jahr finanzierten die Studierenden ihr Studium zu einem Viertel aus eigener Erwerbstätigkeit. Eine neuere Umfrage ergibt, daß 55 % der StudentInnen nebenher arbeiten müssen.

Die Zahlen von 1991 sind die letzten verfügbaren, man darf jedoch getrost davon ausgehen, daß sich die Situation inzwischen noch verschärft hat. Die Mieten stiegen in den letzten Jahren noch weiter, wegen steigender Studierendenzahlen bei gleichbleibendem Hochschuletat verschlechterten sich die Studienbedingungen weiterhin. Und nicht zuletzt führte wohl die schlechte konjunkturelle Lage zu einer Erschwernis von studentischer Erwerbstätigkeit.

Dies läßt erkennen, daß Studiengebühren nicht nur diejenigen vom Studium abhalten werden, die es sich ansonsten gerade noch leisten könnte, sondern bedeuten natürlich auch für "Trotzdem-StudentInnen" eine extrem höhere finanzielle Belastung, die durch (zusätzliche) Erwerbsarbeit erbracht werden müßte. Dies trifft vor allem die sozial Schwächeren. Die Chancengleichheit im Bildungswesen wird dadurch immer weiter ausgehöhlt, da die Möglichkeit eines Studiums mehr und mehr von der finanziellen Kapazität statt von Eignung und Interesse abhängt. Die Ausgrenzung von StudentInnen aus sogenannten "niedrigen sozialen Schichten", die in den letzten Jahren bereits in starkem Maße erfolgt (von 1982 bis 1991 ist der Anteil dieser StudentInnen stetig von 23 auf 15 Prozent gesunken) wird damit noch einfacher. Der Weg zur Eliteuniversität, jedoch nicht der Bildungs-, sondern der Geldelite, steht somit Tür und Tor offen.


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bay, 15.3.1999, URL www.michael-bayer.de