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HRK-Positionspapier (4)

Optimierungspotentiale im Hochschulsystem


Die Effizienz des Hochschulsystems ist weniger durch nachgewiesene Unwirtschaftlichkeit, als durch Fehlentwicklungen innerhalb des tertiären Bereichs, dadurch bedingte Abbruchquoten und lange Studienzeiten, durch Reglementierung und Bürokratisierung, schließlich durch mangelnde Leistungstransparenz, in Frage gestellt worden. Ein erheblicher Teil der Probleme ist durch staatliche Rahmenbedingungen, ein Teil aber auch durch interne Schwächen verursacht. Optimierungspotentiale zeichnen sich auf drei Ebenen ab:

a) auf der Ebene des Gesamtsystems durch den vorrangigen Ausbau der Fachhochschulen und durch eine bessere Abstimmung des Fächerangebots zwischen Hochschulen und Hochschularten sowie Optimierung von Fächergrößen.

b) auf der Ebene der einzelnen Hochschule durch Schaffung von Kostentransparenz bis auf die kleinste Einheit, durch Kostenbewußtsein für die Gesamtkosten einer Hochschule, durch Aufzeigen der Gesamtkosten auch für die Infrastruktur, durch eine leistungsorientierte Mittelvergabe und eine Optimierung des Hochschulmanagements.

c) durch ein Einwirken auf das Studienverhalten durch verbesserte Lehre und Lehrorganisation, vorteilhaftere Studienbedingungen und - jedenfalls grundsätzlich - die Einführung pretialer Elemente.

Zu a) Gesamtsystem

- Stärkerer Ausbau der Fachhochschulen

Der Anteil der Studienanfänger an der gleichaltrigen Bevölkerung in der damaligen Bundesrepublik hat im Jahre 1960 7,9% betragen, im Jahre 1993 waren es 35,7 %. Diese Steigerung des Anteil hat nicht zu hinreichenden strukturellen Konsequenzen geführt. Obwohl seit 1970 vom Wissenschaftsrat empfohlen, kam es nicht zu einer überproportionalen Ausweitung des Fachhochschulbereichs. Noch immer nehmen ca. 65,5% der Anfänger ein Studium an Universitäten und gleichgestellten Hochschulen auf, nur 34,5 % an Fachhochschulen.

Die Ausbildung im Universitätsbereich führt gemessen an den tatsächlichen Beschäftigungsmöglichkeiten und -feldern der Absolventen in manchen Bereichen zu einer Überqualifizierung. Aus der Entwicklung der Studierenden- und Hochschulabsolventenzahlen am Altersjahrgang ergibt sich bereits, daß der größere Teil der Absolventen keine leitende Stellung ausüben kann. Dem entspricht, daß mehr als 80 % aller Studierenden eine berufsbefähigende Qualifikation durch ein Hochschulstudium anstreben.

Eine Veränderung der Studierendenströme in Richtung Fachhochschulen, die mit einer Erweiterung des Fächerkanons an Fachhochschulen einhergeht, sowie die klarere Gliederung des universitären Studium ist von der HRK und vom Wissenschaftsrat empfohlen, aber insbesondere wegen des unzureichenden Ausbaus der Fachhochschulen noch nicht realisiert worden.

- Abstimmmung der Angebote benachbarter Hochschulen

In der Bundesrepublik Deutschland existiert ein dichtes Netz von Hochschulen. Die Universitätsgründungen in den 60er und 70er Jahren waren häufig ebenso wie die Gründung von Fachhochschulen auch regionalpolitisch begründet. Das ökonomische und innovative Potential von Hochschulen sollte wirtschaftsfördernde Effekte haben. Diese Aufgaben haben die Hochschulen neben ihrer Profilbildung in der Wissenschaft erfüllt. Da der Zuspruch zu einer jungen Universität auch von der Breite des Fächerangebots abhängt, kam es - nach Bundesländern unterschiedlich - teilweise zur Ansiedlung gleicher Fächer oder Studiengänge an benachbarten Standorten ohne profilierende Unterschiede. Kritische Mindestgrößen in der wissenschaftlich konkurrenzfähigen Ausstattung einzelner Fächer und die Entwicklung der Kosten pro Studienplatz in Abhängigkeit von der Größe des Fachs wurden dabei manchmal wenig berücksichtigt.

In den vergangenen Jahren wurden bereits an verschiedenen Stellen Schritte zur Vernetzung des Angebots benachbarter Hochschulen in der Lehre, zur hochschulübergreifenden Bildung interdisziplinärer Zentren und leistungsfähiger Einheiten in der Forschung eingeleitet. Diese Ansätze müssen weiter verstärkt werden. Die Transparenz der Kostenstrukturen im Hochschulbereich muß verbessert, Kostenverläufe müssen sichtbar gemacht werden, um in diesen Bereichen die Grundlage für rationale Entscheidungen zu schaffen. Bei allen Maßnahmen muß darauf geachtet werden, daß sie nur im Einvernehmen der Hochschulen und unter Berücksichtigung ausgewogener, aufeinander abgestimmter und wettbewerbsfähiger Fächer- und Forschungsprofile getroffen werden. Diese Abstimmung muß, insbesondere bei kleinen Bundesländern, über die Landesgrenzen hinausgehen.

Zu b) Einzelne Hochschulen

- Qualitätskontrolle und Leistungsorientierung

Ansätze zur Qualitätskontrolle sind in den vergangenen Jahren an vielen Hochschulen entwickelt worden. Qualitätsgesichtspunkte hatten immer schon entscheidende Bedeutung in Berufungsverfahren und in der Forschungsförderung, sie erhalten seit einigen Jahren zunehmende Bedeutung in der Lehre. Diese Ansätze, die Defizite der Vergangenheit beheben, sollten gestärkt und ausgeweitet werden.

Qualitätskontrolle und Leistungsorientierung sind jedoch infolge staatlicher Reglementierung noch nicht in allen Entscheidungsbereichen in notwendiger Weise entwickelt. So sind die Hochschulen auf dem Gebiet des Zulassungsrechts weitgehend durch Entscheidungen des Staates fremdbestimmt. Mit der Zulassung ihrer Studierenden haben sie überwiegend nur noch als vollziehende Institution zu tun. Qualitätsgesichtspunkte können bei der Zulassung der Studierenden nicht geltend gemacht werden. Die Mittelverteilung zwischen Staat und Hochschule sowie innerhalb der Hochschulen beruht noch vorwiegend auf historisch gewachsenen Besitzständen. Das Haushaltsrecht verhindert trotz eingeleiteter Flexibilisierungen zum Teil immer noch, daß Mittel in das Folgejahr übertragen und Einnahmen aus Dienstleistungen der Hochschule wieder für die Hochschule eingesetzt werden können. Als weitere Ursachen für mögliche und tatsächliche Fehlsteuerungen sind die staatliche Personal- und Planungshoheit, zunehmende Zentralisierung von Forschungsmitteln und der Verteilungsentscheidungen in den Länderministerien sowie inadäquate Leitungsstrukturen der Hochschulen zu nennen.[4]

Um eine stärkere Leistungsorientierung der Mittelverteilung zu erreichen, müssen Inflexibilitäten des Haushalts- und Besoldungsrechts, der Personalstruktur und der Hochschulbauverfahren aufgehoben werden. Neben der Flexibilisierung der Haushalte ist eine Modifizierung des Besoldungsrechts erforderlich. Die Vergütung sollte durch eine stärkere Differenzierung nach Grundbetrag und flexiblen Zuschlägen in Forschung, Lehre, Nachwuchsausbildung, wissenschaftlicher Weiterbildung und Dienstleistung sowie beim nicht-wissenschaftlichen leistungsorientiert gestaltet werden. Bei Erstberufungen sollte die Möglichkeit zum Abschluß von Zeitverträgen mit Risikozuschlag oder der Einrichtung von BAT-Stellen (z.B. Junior Group Leader-Modell der Universität Heidelberg) statt von C3-Stellen auf Lebenszeit vorgesehen werden.

Zur effizienteren Gestaltung des Hochschulbaus sollten die von der HRK in ihrer Entschließung "Zur Beschleunigung und kostengünstigen Errich tung von Hochschulbauten"[5] vom November 1990 und in ihrem gleichnamigen Symposium im Februar 1992 erarbeiteten Vorschläge aufgegriffen werden. Insbesondere sollte die Bauherrenfunktion auf die Hochschulen übertragen werden. Eine in ihrem Finanzgebahren flexible Hochschule benötigt darüber hinaus einen eigenen Vermögenshaushalt und ein vorausschauendes Liegenschaftsmanagement. Hier sind in anderen Ländern, z.B. in den Niederlanden und in Australien richtungsweisende Lösungen entwickelt.

Mittelfristig müssen die Ressourcen an Raum, Personal, Sach- und Investitionsmittel entsprechend nachgewiesener Leistungen in Forschung, Lehre, Nachwuchsausbildung und wissenschaftlicher Weiterbildung bemessen werden. Dazu sind die bisherigen Modelle kritisch zu beobachten und ggf. weiter zu entwickeln.[6]

c) Studienverhalten

Das Studium in der Bundesrepublik ist im internationalen Vergleich lang. Die durchschnittliche Studiendauer beträgt derzeit an Universitäten für den Abschluß Diplom/Magister knapp 12,8 Semester, für das Lehramt an Gymnasien 14,2 Semester, an Fachhochschulen für das Diplom 8,4 Semester.

Die Studienabbruchquote an Universitäten und gleichgestellten Hochschulen beträgt etwa 30%. Sie ist in den letzten Jahren gestiegen, ebenso wie der Anteil vorzeitig aufgelöster, also abgebrochener Ausbildungsverträge im dualen System auf rund 25 % gestiegen ist. Studienabbruch, das Verlassen der Hochschule ohne Studienabschluß ist auch eine Funktion der Selektivität der Hochschule. Selektion ist eine Aufgabe der Hochschulen und hat qualitätssichernde Funktion. Auch ausländische Hochschulsysteme weisen erhebliche Quoten von Studienabbrechern auf. Die durchschnittliche Studienzeit bis zum Studienabbruch beträgt allerdings 5,2 Fachsemester[7]. Dieser Zeitraum ist vor allem im Hinblick auf die Lebenszeit der Betroffenen zu lang, obwohl sozialwissenschaftliche Untersuchungen zeigen, daß Studienabbrecher sich erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt durchsetzen.

Ähnliche Probleme sind beim Studienfachwechsel gegeben. Der Anteil der Universitätsabsolventen, die im Verlaufe ihres Studiums das Fach gewechselt haben, beläuft sich auf ca 17 - 20%, der der Fachhochschulabsolventen auf 9%, aber nur ca. die Hälfte der Wechsel ist bis zum Ende des zweiten Semesters vollzogen.

Die Ursachen für dieses Verhalten sind vielfältig:

- Die Überlastsituation in den Hochschulen führte zu schlechten Studienbedingungen. Nach Fächern unterschiedliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt führen zu Studienzeitverlängerung ebenso wie veränderte Verhaltensmuster und Lebensplanungen der Studierenden.

- Elemente des Wettbewerbs und der pretialen Lenkung werden im Hochschulbereich bisher nicht hinreichend wirksam.

- Die Hochschulausbildung wird unentgeltlich angeboten, der Status des Studierenden verspricht in gewissem Umfang materielle Vorteile8. Der Erhalt des Studierendenstatus - selbst wenn kein Studienabschluß angestrebt wird - bzw. eine Parallelität von parttime-Studium und -Erwerbstätigkeit stellen, solange die Studierenden keinen Beitrag zu den volkswirtschaftlichen Kosten des Studiums leisten muß, aus der Sicht des Studierenden eine ökonomisch sinnvolle Entscheidung dar.

- Auf der Seite der Lehrenden fehlen Anreize, in der Lehre besonders gut zu sein, weil gute Lehre, hohe Betreuungsintensität, erfolgreicher Studienabschluß etc. nicht honoriert, schlechte Lehre, späte Abbruch- oder Wechselquoten nicht sanktioniert werden.

Eine Effektivierung des Studienverhaltens könnte durch die Verbesserung der Studienbedingungen und der Lehre einerseits, aber auch durch Verankerung pretialer Elemente, z.B. über Gebühren oder eine zeitliche Kontingentierung des Hochschulbesuchs erreicht werden.


Weiter:


bay, 15.1.2001, URL www.michael-bayer.de