Also besinnen wir uns auf das, was wir können bzw. zumindest können sollten, wenn uns diese Uni auf die Menschheit entläßt, und versuchen die Sache mit volkswirtschaftlichem Sachverstand anzugehen. Die Ergebnisse seien interessierten Lesern zur Verfügung gestellt. Gerade denjenigen, denen in Diskussionen mit Reformbefürwortern wirtschaftliche Argumente entgegengehalten werden, können wir vielleicht mit unserem Beitrag eine Argumentationshilfe an die Hand geben.
Diese Gründe für einen Wandel in der deutschen Politik können nicht bestritten werden. Die Tatsachen sprechen für sich. Das Wirtschaftswachstum stagniert. Es wird behauptet, deutsche Produkte seien auf internationalen Märkten weit weniger wettbewerbsfähig als noch vor einem Jahrzehnt. Aber sind die geplanten Maßnahmen überhaupt geeignet, die angestrebten Ziele zu erreichen oder erweisen sie sich als unwirksam? Diese Frage galt es im Rahmen unserer Arbeitsgruppen zu klären.
Es ist doch auch nicht nur der Student, der von seiner Ausbildung profitiert. In hohem Maße ist es auch die Gesellschaft, die ihm diese Ausbildung ermöglicht hat.Als letztes sei überlegt, wer auf einem privaten Bildungsmarkt vom Studium ausgeschlossen würde. Doch diejenigen, die es sich finanziell nicht leisten könnten. Daß dies nicht unbedingt diejenigen wären, die die intellektuell weniger geeigneten Studenten sind, muß nicht weiter erklärt werden.
Fazit bleibt also, es ist weitaus effektiver, die Aufgabe akademischer Bildung staatlich zu lösen, als sie einem rein privaten Markt zu überlassen.
Der größte Teil der Kosten eines Studiums ist nicht abhängig von der Studiendauer. Sie entstehen im Gegenteil schon allein dadurch, daß ein Studienplatz in Anspruch genommen wird. Langzeitstudenten, die aus welchen Gründen auch immer die Veranstaltungen nicht besuchen, verursachen allenfalls Verwaltungskosten.
Die Kapazitäten unserer Hochschulen sind darauf ausgelegt, etwa 900.000 Studierende aufzunehmen. Dementsprechend entstehen auch von der Studiendauer unabhängige Kosten für die Bereitstellung dieser Kapazität. Realität ist aber, daß sich in den Universitäten 1,8 Millionen Studierende, also auf jedem Platz 2, drängeln, ohne daß die finanzielle Ausstattung angepaßt worden wäre. Daraus folgt, daß wenn man nennenswerte Kostensenkungen herbeiführen wollte, die Zahl der Studierenden mindestens halbieren müßte, und selbst dann könnte man nur Mittel einsparen, wenn Kapazitäten stillgelegt würden. Auch das Argument, daß Langzeitstudenten bereits arbeiten könnten, und damit zum Steueraufkommen beitragen würden ist nicht stichhaltig. Wer ohne Erreichen des angestrebten Abschlusses die Universität verlassen muß, wird eher der Sozialhilfe zur Last fallen, als Steuerzahler werden. Gäbe man ihm hingegen die Chance, sein Studium zu beenden, ist die Wahrscheinlichkeit, eine entsprechende Anstellung zu bekommen, schon sehr viel höher. Betrachten wir weiter die Erhebung von Studiengebühren. Sie haben die gleiche Wirkung wie ein sich auf einem freien Markt entwickelnder Preis. Wer sich die Zahlung des Preises nicht erlauben kann, intellektuell aber sehr wohl zum Studium geeignet ist, wird die Universität nicht besuchen können. Auch die Finanzierungswirkung der Maßnahme fällt kaum ins Gewicht. Angenommen wir hätten in jedem Jahr 300.000 Studenten jenseits der Regelstudienzeit, die eine jährliche Studiengebühr von DM 1.000,- zu zahlen hätten. Dies würde zu einem Gesamtaufkommen von 300 Mio DM führen. Damit wäre nicht einmal die Philipps-Universität incl. Klinikum zu finanzieren. Im Gesamt-Bildungsetat der Länder wäre dies ein verschwindend geringer Posten.
Die Einführung von Gebühren hat also eine weitaus geringere Finanzierungsfunktion, als vielmehr eine Sanktionierungsfunktion. Diese ist aber aus Effizienzgründen abzulehnen. Zwei weitere sich widersprechende Maßnahmen bedürfen der Klärung. Den Hochschulen soll die Autonomie über die ihnen zur Verfügung stehenden Finanzmittel übertragen werden. An sich eine sehr begrüßenswerte Maßnahme. Gleichzeitig ist jedoch geplant, die Entscheidungsgewalt über einzelne Studiengänge, Studieninhalte, Prüfungsverfahren und Prüfungsinhalte den Ländern zu überantworten. Daß diese beiden Gedanken sich grundsätzlich widersprechen bedarf keiner weiteren Erläuterung. Nicht nur die Annahme, daß Ministerien eine höhere Entscheidungskompetenz über Studieninhalte haben könnten als die betreffenden Universitäten, ist falsch. Auch die Vorstellung, daß jemand den ihm zur Verfügung stehenden Etat sinnvoll verwalten kann, ohne daß er die Autorität über zu treffende Entscheidungen hat, entbehrt jeder Logik.
Da erhöhte Mittelzuweisung an Universitäten und Fachhochschulen zwar ökonomisch sinnvoll wäre, aber in absehbarer Zeit politisch nicht durchsetzbar ist, ist mit einer Verbesserung der Ausstattung gegenwärtig nicht zu rechnen. Bleiben momentan also Reformen, die die wirtschaftliche Belastung zumindest begrenzen.
Eine kurze Studienzeit ist sicher ein erstrebenswertes Ziel. Der Arbeitsmarkt verlangt nach Absolventen, die in angemessener Zeit ihr Studium beendet haben und gleichzeitig den gestiegenen Anforderungen der Wirtschaft gewachsen sind. Dies wäre Motivation genug, falls uns die Universitäten überhaupt die Möglichkeit böten, in der erwünscht kurzen Zeit zu studieren. Solange dies nicht möglich ist, ist es die Aufgabe der Politiker sowie der Lehrenden und Lernenden, diese Verhältnisse herbeizuführen. Sanktionen sind auf diesem Weg kein geeignetes Mittel. Wer aus wirtschaftlichen oder sozialen Gründen nicht in der Lage ist, in der vorgesehenen Zeit zu studieren, darf nicht vom Studium ausgeschlossen werden.
Die Hochschulautonomie muß unbedingt erhalten bleiben! Die Studierenden müssen weitaus stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden werden als bislang üblich. Die Verwaltungsstrukturen müssen entbürokratisiert werden. Die vorhandenen Strukturen sind zu wenig an den Bedürfnissen der Studenten orientiert. Prüfungsverfahren sind reformierbar. Es ist nicht einzusehen, daß Examensprüfungen in Blockform durchgeführt werden müssen. Die Einführung einer "Freischußregelung" kann in verschiedenen Fachbereichen sinnvoll sein.
Es ist unsere Aufgabe, Reformvorschläge zu machen. Niemand kennt die Probleme der Studierenden besser als wir. Auf keinen Fall darf eine Reform ohne die maßgebliche Mitarbeit der Studierenden durchgeführt werden. Noch eines an diejenigen, die meinen, es sei besser, an der eigenen Karriere zu arbeiten, als sich um die Probleme anderer zu kümmern:
Das Rückgrat dient dem aufrechten Stehen, nicht dem schmerzfreien Bücken !