[HoPo-WWW,
Alternativen, Analysen ]
Hochschulpolitik unter dem Spardiktat
Von Markus Gunkel, Hamburg
Folgende Thesen stellen den Versuch dar, Hochschulpolitik
einerseits aus Sicht der Ordnungspolitik bzw. aus Sicht
kapitalistischer Interessen zu beschreiben (These 1+2) und
andererseits die Reaktion von Studierenden respektive Hochschule
auf diese Politik darzustellen (These 3-6). Die Thesen enthalten
teilweise erste Ansätze für Konsequenzen, die hier in Form der
Negation zu Papier gebracht wurden und sich noch nicht auf etwas
Positives beziehen.
Ziel dieser Thesen war und ist es innerhalb hochschulpolitischer
Zusammenhänge in und um der GEW eine Diskussion zu initiieren, in
der die Hochschule als integraler Bestandteil der
gesellschaftlichen Reproduktion verstanden wird, um so zu einer
Bildungspolitik zu kommen, die nicht nur Symptome der
Hochschulmisere bekämpft, sondern ihren Widerstand auch auf die
Widersprüchlichkeiten der kapitalistischen Produktionsweise
richtet.
- Systemimmanent betrachtet ist sowohl die Forderung nach
finanziellen Einschränkungen im Bildungssektor, aufgrund der
immer leerer werdenden Kassen vertretbar, als auch die Position,
daß Bildung notwendig für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts
Bundesrepublik sei, weswegen Bildung nicht kaputt gespart werden
dürfe.
- Hochschulpolitische Veränderungsstrategien sind nicht allein
Ausdruck der Interessen der herrschenden Klasse bzw. eines
Kollektivsubjekts, die hinter den PolitikerInnen stünden. Die
unterschiedlichen Veränderungsstrategien sind eher Ausdruck von
Widersprüchen in der kapitalistischen Reproduktion (rückläufige
Rendite, erhöhte Kosten zur Bereitstellung notwendiger
Infrastruktur, Abbau von Erwerbsarbeit etc.).
- Die Hochschule hat während der siebziger Jahre als politischer
Faktor dieser Gesellschaft mehr oder weniger abgedankt, die Reste
der ehemaligen Hochschullinken sind zumeist resigniert, haben
ihren politischen Wirkungskreis woanders gesucht oder sind von
der Gremienbürokratie aufgesogen. Konzeptionell desorientiert und
nur noch defensiv operierend, wurden sie in aussichtslosen
Grabenkämpfe mit der Bürokratie zerrieben.
- Chancengleichheit, Kritikfähigkeit, Autonomie des Lernens sind
in einem Bildungssystem, welches seine Aufgaben, wie Allokation,
Legitimation und Selektion durch die kapitalistische
Produktionsweise vorgeben bekommt, nicht realisierbar. Reformen
werden nur insoweit umgesetzt, wie sie bestehende gesellschaft-
liche Prinzipien nicht grundsätzlich in Frage stellen.
- Der studentische Rückzug auf eine Kritik der Studieninhalte und
auf die Kritik an der Organisation des Wissenschaftsapparates
kann nicht gelingen, da die institutionelle Einbindung in die
Kapitalreproduktion bzw. die grundlegenden Widersprüche der
kapitalistischen Produktionsweise auf diese Weise nicht gelöst
werden können. Ohne eine Kritik an der Funktionsweise des
kapitalistischen Systems, in der die studentische bzw. die
hochschulpolitische Situation als Ursache von Systemwidersprüchen
betrachtet wird, ist Widerstand immer in sich gebrochen.
- Da Lohnarbeit selber nur eine Form der gesellschaftlichen
Vermittlung darstellt, die sich mittlerweile quasi von innen
selbst auflöst (zyklusunabhängige Massenarbeitslosigkeit), muß
sich studentischer Protest an der Kritik der kapitalistischen
Produktionsweise festmachen, will er nicht zum banalen Aufschrei
einer Gruppe werden, die ihre eigene Verwertbarkeit auf Kosten
anderer durchsetzen will.
- Bildung an sich ist kein Wert, sondern der Aussbau von
Studienplätzen ist abhängig von den vermittelten Inhalten. Unter
den gegenwärtigen Bedingungen ist es vielleicht zweckmäßiger die
Forderung nach Abschaffung der Hochschulen zu vertreten, als
durch systemimmanente Kritik, ihre systemstabilisierende Funktion
zu stärken.
JO (Hamburg/Januar 1996)
## Nachricht vom 26.02.96 aus /CL/BILDUNG/DISKUSSION weitergeleitet
## Ersteller: M.GUNKEL@CL-HH.comlink.de
bay, 15.1.2001, URL www.michael-bayer.de