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Alternativen, Analysen ]
Zwischen Humboldt und Standort Deutschland
Thesen des Bunds demokratischer Wissenschaftlerinnen und
Wissenschafter (Langversion)
In der momentan stattfindenden Hochschuldebatte gibt es eine auffällige Besonderheit: Unter dem Schlagwort
"Bildung als Standortfaktor" werden die eigentlichen Aufgaben von Bildung an Hochschulen völlig in Frage
gestellt. Es geht nicht mehr darum, wie Studierende eigenständiges Denken und Kreativität erlernen,
sondern nur noch, wie sie marktwirtschaftlich einsetzbar und verfügbar sind. Dies ist das Ergebnis eines seit
Anfang der 90er Jahre stattfindenden Konsensbildungsprozesses zwischen den einflußreichsten Akteuren der
Hochschulpolitik, unter anderem auch VertreterInnenn der Industrie.
Was ist geplant?
Die Bildung der Hochschule soll angepaßt werden an die Anforderungen des Arbeitsmarktes. Zwar sollen die
Hochschulen soweit geöffnet bleiben, daß alle Menschen, die studieren wollen, dies auch können.
Das Studienplatzangebot wird jedoch in erster Linie an den Fachhochschulen erweitert, weil die Fachhochschulen im
Gegensatz zu den Universitäten bereits jetzt schon berufsbezogen ausbilden. DozentInnen aus der Praxis und
"Lehr"-Professuren sollen die entwissenschaftlichten Inhalte vermitteln, eine Integration von Forschungsinhalten
wird dadurch unmöglich gemacht. (Wo es keine Forschung gibt, kann eben auch nichts integriert werden.)
Alle offiziellen Prognosen des Qualifikationsbedarfs gehen aber von einer Konservierung der bestehenden
gesellschaftlichen Arbeitsteilung aus. Passen sich die Hochschulen also diesen Maßstäben an, wird ihre
Finanzierung wie geplant immer stärker von der Industrie abhängen. Dann wird auch ihre politische
Gestaltungsfähigkeit immer weiter abnehmen.
Trennung statt Integration
Der Ansatz der hochschulstrukturpolitischen Maßnahmen ist äußerst reduziert, denn er orientiert
sich weitgehend an der Studienzeit und fordert eine "Studierbarkeit des Studiums in einer Regelstudienzeit". Die
Entfrachtung des Studiums wird gefordert, ohne auf die Studieninhalte einzugehen.
"Der Wissenschaftsrat setzt im Prinzip den Wissenschaftsbezug des Studiums mit der unmittelbaren Beteiligung an
der Grundlagenforschung als spezialisierter Tätigkeit (= Ausbildung zum Wissenschaftler) gleich. Die Frage ist
jedoch, wie theorie- und forschungsbezogen ein Studium sein muß, um die komplexen Anforderungen der Praxis
bewältigen zu können. Würde diese Frage gestellt, müßte sie zwangsläufig ein
Denken in Richtung Integration von Theorie und Praxis bzw. von Forschung, Lehre und Studium provozieren."
Geld soll Hochschulen gefügig machen
Die von PolitikerInnen geforderte Studienstrukturreform wird über die Finanzvergabe weiter vorangetrieben.
Die effiziente Verwaltung der Mittel soll über die Machtstärkung der Dekane auf Fachbereichsebene
vollzogen werden. Die bisherigen Verwaltungsgremien der Universität werden ausgehöhlt und
entmachtet.
Die Steuerung der Hochschulen über Mittelvergabe nach Kriterien von außen bedingt auch eine
inhaltliche Verschiebung an Kriterien von außen. Es besteht die Gefahr, daß Studieninhalte sich dadurch
verflachen, um durch optimale Anpassung an die Industrie viele Studierende anzulocken. (Wir erinnern uns: Ein Teil
der Mittelvergabe erfolgt unter anderem über Studierendenzahlen, ein weiterer über die Verwertbarkeit
der StudienabgängerInnen.)
Orientierung an der Industrie
Ein großer Teil der Studierenden will auch tatsächlich diese Berufsqualifizierung und Anpassung an die
Anforderungen der Industrie. Oder wird das von den hochschulpolitischen AkteurInnen immer nur als Legitimation
ihrer eigenen Politik benutzt?
Was ist mit dem Versuch einer Integration von Wissenschaft und Forschung?
Den Hochschulen wird die Möglichkeit zur Innovation von innen genommen. Anstatt sich an den
gesellschaftlichen Problemen und Fragestellungen zu orientieren, sollen sie sich an der Wirtschaft orientieren.
Wie es besser laufen könnte
Doch welche Möglichkeiten haben die Universitäten, sich zu erneuern und ihrer eigentlichen Aufgabe
gerecht zu werden? Können sie sich überhaupt selbst reformieren?
Die möglichen Wege lassen sich auf die Schlagworte "Ökonomisierung" kontra "Demokratisierung"
beschränken.
Als erstes müßte eine Rücknahme der staatlichen Reglementierung erfolgen sowie eine
(schrittweise) Entmachtung der ProfessorInnen durch eine Veränderung der Hochschulverfassung.
Die Anerkennung der Gleichberechtigung aller Statusgruppen in den Selbstverwaltungsgremien der Hochschulen ist
die Grundlage für die Demokratie an der Hochschule. Die Hochschulen müssen sich öffnen
gegenüber gesellschaftlichen Interessen und sozialen Gruppen. Die Erweiterung dieser Außenbeziehungen
muß auch auf Fachbereichsebene erfolgen. Die Kooperation mit der Wirtschaft wäre so auch erreicht,
allerdings nicht maßgebend.
Die Hochschullandschaft sollte eine Vielfalt an Möglichkeiten erreichen anstatt auf ein einziges Modell
beschränkt zu werden. Diese sollten nebeneinander bestehen können und durchlässig sein für
die einzelnen TeilnehmerInnen.
Eine ökonomisch effiziente Rechnungsführung ist als Mittel den gesellschaftlichen und politischen
Zielfindungsprozessen für die Aufgabenbestimmung der Hochschulen eindeutig unterzuordnen.
Der BdWi
Der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurde 1968 von den Marburger Professoren Wolfgang Abendroth und Werner Hofmann. Der
Gründungsgedanke war, einen demokratischen autonomen politischen Verband von Wissenschaftlerinnen zu
entwickeln, der konträr zu führenden Industrieverbänden und Landesregierungen arbeiten. Der
Verband heißt daher Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und in ihm arbeiten
Menschen (die Mitgliedschaft ist auch Studierenden möglich), die sich mit der Normalität des
Wissenschaftsbetriebes nicht abfinden können und wollen.
Der BdWi hat einen quotierten Vorstand, fünf Büros und eine in Marburg angesiedelte Forschungs- und
Informationsstelle als eigene kleine wissenschaftliche Einrichtung.
Der BdWi ist Herausgeber von zwei Zeitschriften und zwei Buchreihen und befaßt sich unter anderem auch mit
Forschungs- und Hochschulpolitik.
Zusammenfassung: Arbeitskreis Hochschulpolitik im AStA Uni Marburg, ak hopo info 17
bay, 15.1.2001, URL www.michael-bayer.de