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Josef Siegers

Mehr Markt für die Hochschulen / Studiengebühren wirken als Leitungsanreiz und verbessern die Finanzausstattung


Der Autor ist Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Köln.

Der deutschen Hochschule geht es nicht gut. Auf eine kurze Formel gebracht: zu viele Studenten, zuwenig Geld für Personal und sächliche Ausstattung. Eine Besserung der chronischen Unterfinanzierung der Hochschulen, die die Kultusminister vor wenigen Jahren schon mit rund 4 Milliarden DM jährlich angegeben haben, von seiten der öffentlichen Haushalte ist nicht zu erwarten. Um so mehr verwundert es, daß in dieser Situation eine ergiebige Ressource völlig außer Betracht bleibt: die finanzielle Leistungskraft der Nutzer des Hochschulsystems und ihrer Eltern. Öffentliche Armut hier - privater Wohlstand dort: Dieser Kontrast kennzeichnet zunehmend unsere gesellschaftliche Situation.

Das Stichwort heißt also: Studiengebühren. An den Anfang der Diskussion gehört die Feststellung, daß die Erhebung von Studiengebühren dem für unsere Gesellschaft konstituierenden marktwirtschaftlichen Grundsatz entspricht: Leistung nur bei Gegenleistung. Eine Gebührenregelung würde sich aber auch nahtlos in das deutsche Abgabenrecht einfügen. Der Staat kann die öffentlichen Aufgaben nur mit finanzieller Hilfe der Bürger erfüllen. Steuern werden zur Erfüllung der allgemeinen Leistungen eingesetzt, die allen Bürgern nutzen. Nimmt hingegen ein Bürger eine Sonderleistung der Verwaltung in Anspruch oder nutzt er besondere öffentliche Einrichtungen, so sind nach klassischem Verständnis hierfür Gebühren oder Beiträge zu entrichten. Nichts anderes gilt für die Nutzung der öffentlichen Einrichtung Hochschule. Dementsprechend wird auch in fast allen vergleichbaren Ländern von den Nutznießern der Hochschulsysteme eine finanzielle Gegenleistung verlangt.

Bei der Nutzung der Hochschulangebote geht es nicht um Kleinigkeiten, sondern um handfeste Vorteile mit lebenslangen Effekten. Ein durchschnittliches Studium kostet nach Berechnungen des Wissenschaftsrates den Staat rund 120000 DM, wobei das Spektrum von den sogenannten reinen Bücher-Studiengängen wie zum Beispiel Rechtswissenschaft oder Wirtschaftswissenschaft mit 30000 bis 40000 DM Gesamtkosten bis hin zu technischen Studiengängen mit über 200000 DM reicht. Den Spitzenplatz nehmen die Humanmediziner mit 270000 DM ein. Hinzu kommen zahlreiche außeruniversitäre Vorteile. Mit diesem öffentlichen Investment wird dem einzelnen Nutzer in aller Regel ein Lebenseinkommen garantiert, das deutlich über dem allgemeinen Einkommensniveau liegt. Die Kosten der Hochschulausbildung tragen also die Steuerzahler - vor allem auch die vielen Millionen Facharbeiter -, während der Ertrag, der "return of investment", dem einzelnen Nutzer zugute kommt. An dieser Kennzeichnung der Situation ändert sich nichts dadurch, daß der Akademiker wegen seines höheren Einkommens grundsätzlich auch höhere Steuern zahlen muß. Das müssen alle anderen, die sich aus eigener finanzieller Kraft eine gute Existenz aufgebaut haben, ebenfalls leisten.

Es gehört schon zu den erstaunlichen Befunden dieser Gesellschaft, daß diese Umverteilung von unten nach oben widerspruchslos hingenommen wird, ja gerade von denen verteidigt wird, die sich als Sachwalter der Verlierer an diesem Umverteilungsprozeß verstehen. Angesichts einer auf 4,3 Millionen gestiegenen Zahl von berufstätigen Akademikern, deren Kinder in der Regel wieder eine akademische Ausbildung durchlaufen, und einem Anteil der Arbeiterkinder an der Studentenschaft von 14 von Hundert läßt sich für die Mehrzahl der Studenten der Vorgang auf die Formel bringen: Das Kind gut verdienender Eltern läßt sich auf Kosten der Steuerzahler ohne finanzielle Gegenleistung mit einer kostspieligen Ausbildung ausstatten, die in der Regel wiederum ein überdurchschnittliches Lebenseinkommen garantiert. Spätestens an dieser Stelle der Diskussion muß nun der Begriff der "sozialverträglichen Gestaltung" der Studiengebühren eingeführt werden. In der Tat: Die Erhebung von Studiengebühren darf nicht zur Ausgrenzung von Kindern aus einkommensschwächeren Familien führen und damit zum sozialen Numerus clausus entarten. Dieser zentrale Problempunkt darf aber nicht als Killerargument gegen jegliche Gebührenkonzentration benutzt werden, sondern ist ein Teilproblem, das gelöst werden muß. Bafög-Empfänger sind deshalb von vornherein von der Gebührenpflicht freizustellen. Es macht keinen Sinn, wenn die öffentliche Hand auf der einen Seite nimmt und auf der anderen Seite gibt.

Danach bleibt das Problem des sogenannten "Mittelstandslochs". Damit sind die Familien gemeint, die ein durchschnittliches Einkommen erzielen, das jedoch oberhalb der Bafög-Freigrenzen liegt. Diese Familien, die ohne staatliche Förderung jetzt schon allein die Kosten der akademischen Ausbildung tragen müssen, würden durch die Erhebung von Studiengebühren zusätzlich stark belastet. Eine Gesamtkonzeption könnte demnach folgendermassen aussehen: Bei rund 1,8 Millionen Studenten sind zunächst die gut 400000 Bafög-Empfänger a priori von der Gebührenpflicht freizustellen. Es wäre dann Raum für weitere etwa 400000 Mittelstandsfälle, die entweder ganz freizustellen wären oder nur reduzierte Gebühren zu entrichten hätten. Es blieben dann rund 1 Million Gebührenzahler übrig, die - bei einer Semestergebühr von zum Beispiel 500 DM - jährlich 1000 DM, für ein straffes Studium insgesamt somit also 4000 bis 5000 DM zu entrichten hätten. Die Summe, die die meisten Jurastudenten heute klaglos ihrem Repetitor zahlen, liegt nicht sehr viel niedriger. Den Hochschulen würden auf diese Weise jährlich 1 Milliarde DM zufließen.

Hinzuweisen bleibt noch darauf, daß mit der Erhebung von Studiengebühren sofort ein wohltuender marktwirtschaftlicher Wind durch die Hochschullandschaft wehen würde. Wer für eine Leistung Gebühren entrichten muß, achtet darauf, daß er ordentliche Leistungen erhält. Er ist auch daran interessiert, die für ihn kostspielige Ausbildungssituation so schnell wie möglich zu beenden. Auf diese Weise würde sich das Problem der Langfriststudenten, an deren Relegierung von den Hochschulen schon sehr viel gedankliche Kraft verwandt worden ist, gleichsam von selber lösen. Der Druck auf die Hochschulen, die Qualität ihrer Produkte und Leistungsangebote zu verbessern, würde merklich zunehmen. Erst vor diesem Hintergrund würde auch die allseits geforderte Verbesserung des Wettbewerbs zwischen den Hochschulen und das damit verknüpfte Postulat nach Stärkung der Hochschul-Autonomie rechten Sinn machen.

Hätten die Kultusminister die politische Kraft, die sie in den letzten Jahren auf die Anhebung des Bundesanteils an der Hochschulbau-Finanzierung um 600 Millionen DM jährlich verwandt haben, in die Entwicklung einer praktikablen, sozial austarierten Gebührenkonzeption investiert: den deutschen Hochschulen ginge es heute spürbar besser.


Quellennachweis: FAZ, Wirtschaft, 9.9.1995, S. 12
bay, 15.3.1999, URL www.michael-bayer.de