Durch diesen finanziellen Druck auf die Studierenden soll eine noch kürzere Verweildauer an den Hochschulen angestrebt werden. Frühzeitige Leistungsnachweise, Einführung von Freischußregelungen und die verbindliche Festlegung von Regelstudienzeiten und eine verkürzte Förderungshöchstdauer beim Bafög stellen weitere Einschnitte zur Verkürzung des Studiums dar. Ergebnis soll das kostensparend und schnell herstellbare Produkt "StudentIn" / "AbsolventIn" sein.
Diese Entwicklung hat ihre Ursache in der bundesrepublikanischen und europaweiten Kommerzialisierung des Studiums: Studierende werden als "Humanresourcen" definiert; ihr Wert bemißt sich an ihrer Industrietauglichkeit. Die dazu gehörende Wettbewerbsfähigkeit müssen sie im Kampf um die knapp vorhandenen Ausbildungsmöglichkeiten unter Beweis stellen. Wer dem künstlich erzeugten Wettbewerbsdruck nicht standhalten kann, fliegt aus dem System. Das Studium wird den Interessen und Vorgaben der Wirtschaft untergeordnet und damit zunehmend privatisiert. Der Staat entzieht sich seiner Verantwortung.
Ein "Nebenprodukt" hierbei stellt die Ausgrenzung finanziell schlechter gestellter Studierender dar, die sich das Risiko eines Studiums nicht mehr leisten können oder aufgrund ihrer Situation (z.B. durch Erwerbstätigkeit neben dem Studium) nicht in der Lage sind, das Studium innerhalb der vorgegebenen Rahmenbedingungen zu erfüllen. Bafög-Verzinsung und Studiengebühren stellen gerade für sie eine unüberschaubare finanzielle Belastung dar.
Bildung wird zu einem Privileg ausgesuchter gut betuchter Studierender; ein allgemeiner Zugang zu den Hochschulen unabhängig von der finanziellen Absicherung wird lediglich pro forma ermöglicht. Der Grundgedanke des Bafögs als "individuelle Ausbildungsförderung", die eingreift, "wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen" (§ l Bafög), wird zu einer leeren Floskel.
Diese sozialen Selektionsmechanismen reihen sich - wie z.B. die Kürzungen der Sozialhilfe und die Koppelung der Arbeitslosenhilfe auf den Marktwert - nahtlos in den stetig von der Bundesregierung betriebenen Sozialabbau ein. Stück für Stück werden fundamentale Prinzipien der Sozialstaatlichkeit, die vorher lange erkämpft werden mußten, unter dem Deckmantel der Effizienzsteigerung abgebaut und bestehende Spaltung der Gesellschaft vorangestrieben. Dies gilt insbesondere auch im Bereich der Bildung. Dieser Weg ist eine Sackgasse!
Soziale Gerechtigkeit ist eine existentielle Grundlage eines jeden Menschen. Diese kann nur durch eine soziale Grundsicherung erreicht werden. Wesentlicher Bestandteil der sozialen Gerechtigkeit bildet die Chancengleichheit, die wiederherzustellen ist. Im Bereich der Bildung bedeutet dies konkret die Ermöglichung eines freien Zugangs zur bestmöglichen Bildung unabhängig von den finanziellen Voraussetzungen der einzelnen. Wird die Förderung - wie bei einer Verzinsung des Darlehensanteil beim Bafög - beschränkt, ist eine Chancengleichheit und damit eine soziale Gerechtigkeit nicht mehr gewährleistet.
Jeder Mensch muß das Recht haben, sich nach seinen Vorstellungen und Fähigkeiten zu entfalten. Bildung muß frei zuganglich sein, sie darf nicht von wirtschaftlichen und industriellen Interessen bestimmt sein. Ein selbstbestimmtes, freies Studium muß für jedermensch möglich sein. Nur so kann eine weitere Aushöhlung der sozialen Gerechtigkeit verhindert werden.
Soziale Gerechtigkeit darf nicht dem Wettbewerb geopfert werden.
Wir fordern:
Soziale Gerechtigkeit statt
Wettbewerb!