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Positionspapier des Bundes

Worauf der Kanzler die Regierungschefs festlegen möchte: Schulzeit im Gymnasium verkürzen, Hochschulzugang neu zu regeln und das BAFöG kürzen


Die Bundesregierung in Bonn hat noch einen Bereich gefunden, mit dem sie in den Wahlkampf zieht: die Bildungs-, Hochschul- und Forschungspolitik. Nach einem fast zweijährigen Hin und Her über einen 'Bildungsgipfel' legt das Bundeskanzleramt den Ministerpräsidenten der Länder jetzt ein 'Positionspapier' vor. Daraus soll nach den Vorstellungen von Helmut Kohl auf dem Treffen am morgigen Donnerstag ein 'gemeinsamer Beschluß' werden. Unberührt von allen Expertenanhörungen, Schüler- und Studentenprotesten enthält das Kohl-Papier alle Reizworte der bildungspolitischen Debatte.

Mit diesen einleitenden Worten hat die Frankfurter Rundschau das Positionspapier dokumentiert (15.12.1993, Nr. 291, Seite 11). Von dort ist diese Fassung abgetippt. Aus dem gemeinsamen Beschluß ist übrigens nichts geworden - die Länder beharrten auf konkreten Finanzzusagen und dem 13. Schuljahr.

Das "Positionspapier des Bundes" im Wortlaut:


I.

Die Regierungschefs von Bund und Ländern sehen in Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung Schlüsselbereiche für die Zukunftssicherung des Standortes Deutschland, deren Bedeutung weit über den wissenschaftlichen Nutzen hinausgeht. In diesen Feldern besteht erheblicher Bedarf an strukturellen Reformen, wozu Orientierungen bieten: Über die Reformziele in der Bildungsund Forschungspolitik besteht zwischen den Regierungschefs von Bund und Ländern ein weitgehender Konsens:

II.

Die Regierungschefs des Bundes und der Länder verständigen sich darauf, die notwendigen Schritte im Rahmen der gegebenen Zuständigkeitsverteilung und auf der Grundlage des von Bund und Ländern gemeinsam erarbeiteten Eckwertepapiers umgehend einzuleiten und bis spätestens Ende 1995 zu verwirklichen. Dazu gehören folgende Schwerpunkte:

1. Berufliche Bildung

Einrichtung einer Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Wirtschaft und Gewerkschaften, die kurzfristig Vorschläge vorlegt zu:

2. Hochschulen

2.1 Hochschulzugang

Im Interesse des Erfolges der angestrebten Studienstrukturreformen werden durch Änderung des Hochschulrahmengesetzes Vereinbarung der Länder zur bundesweiten Gewährleistung der Qualität der zur Hochschulzugangsberechtigung führenden Schulbildung über

2.2 Hochschulzulassung

Änderung des Hochschulrahmengesetzes und der entsprechenden landesrechtlichen Regelungen für die Hochschulzulassung von Abiturienten und beruflich qualifizierten im Hinblick auf die

2.3 Hochschul- und Studienstrukturreform

Im Rahmen der angestrebten Hochschul- und Studienstrukturreformen werden durch Änderung des Hochschulrahmengesetzes und des Landeshochschulrechts neben den bereits eingeleiteten Maßnahmen folgende Neuregelungen vorgenommen:

3. Forschung

Bund und Länder werden im Rahmen der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsfoerderung (BLK) kurzfristig Vorschläge zur Verbesserung der forschungspolitischen Zusammenarbeit und zur Steigerung der Effizienz des Einsatzes staatlicher Forschungsmittel erarbeiten. Es geht insbesondere um die Weiterentwicklung des in seiner Grundstruktur bewährten Forschungssystems durch Schließen der bestehenden Lücken zwischen Grundlagenforschung und wirtschaftlicher Nutzung. Zugleich beauftragen Bund und Länder den Wissenschaftsrat, alle wichtigen Forschungsfelder institutionenuebergreifend zu begutachten, um Strukturen und Aufgaben auf die künftigen Anforderungen hin auszurichten. Bund und Länder werden gesetzliche und andere Regelungen mit dem Ziel überprüfen, vermeidbare Hemmnisse für die Forschung abzubauen.

Bund und Länder treten im Rahmen ihrer bildungs- und medienpolitischen Verantwortung gemeinsam mit Wissenschaft und Wirtschaft dafür ein, eine gegenüber Forschung und Technik aufgeschlossenere Grundeinstellung der Gesellschaft zu erreichen.

III.

Die Regierungschefs des Bundes und der Länder vereinbaren ferner folgendes:
  1. Die Förderungshöchstdauern nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz werden entsprechend den im Eckwertepapier festgelegten Regelstudienzeiten neu festgesetzt mit einer Übergangsfrist bis zum WS 1996/1997.
  2. Die Studienreformmaßnahmen haben auch Geltung für Studiengänge mit Staatsexamen; entsprechende Gesetzesänderungen sind vorzusehen.
  3. Der Bund sieht sich angesichts der sehr schwierigen Haushaltssituation z.Z. nicht in der Lage, konkrete Zusagen für Mittelerhöhungen in den Bereichen Hochschule und Forschung zu geben. Er wird jedoch im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung die beim bildungs- und forschungspolitischen Grundsatzgespräch am 11. November 1993 erhobene Forderung prüfen, daß der prioritären Bedeutung von Bildung, Wissenschaft und Forschung besser Rechnung getragen wird und die Rahmenbedingungen fuer Forschung und Entwicklung verbessert werden. Dabei soll auch geprüft werden, ob und ggf. wie für bisher staatlich finanzierte Aufgaben in den genannten Bereichen verstärkt private Mittel eingesetzt werden können.
  4. Die Länder prüfen die Möglichkeit, ab 1995 die Ansätze für den Hochschulbereich zu erhöhen und zusätzliche Mittel für die Forschung vorzusehen.
  5. Die Revision des Hochschulsonderprogramms II (HSP II) wird baldmöglichst begonnen und beinhaltet auch das Ziel, die Maßnahmen des HSP II für die neuen Länder zu öffnen. Das Erneuerungsprogramm für Hochschule und Forschung in den neuen Ländern (HEP) ist in diesem Zusammenhang daraufhin zu prüfen, ob die vereinbarten Maßnahmen unverändert fortgeführt werden sollen.
  6. Der Bund wird in Kürze einen Bericht zur Sicherung der Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes mit Lösungsvorschlägen vorlegen.

bay, 15.3.1999, URL www.michael-bayer.de