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Kultusministerkonferenz: Leitungsstrukturen im Hochschulbereich

Quelle: Kultusministerkonferenz, 1996: Leitungsstrukturen im Hochschulbereich. Von der Kultusministerkonferenz am 13.9.1996 zur Kenntnis genommen.

A. Anlaß

Die Kultusministerkonferenz hat im April 1994 11 Thesen zur Stärkung der Finanzautonomie der Hochschulen zur Kenntnis genommen und im Januar 1996 ihren Bericht zur Differenzierung der Mittelverteilung im Hochschulbereich verabschiedet. Mit dem vorliegenden Bericht zu den Leitungsstrukturen im Hochschulbereich werden Vorschläge für eine Weiterentwicklung der Leitungsstrukturen der Hochschulen auf zentraler Ebene und auf der Ebene der Fachbereiche entwickelt, die dazu geeignet sind, die Hochschulen in die Lage zu versetzen, ihrer größeren Verantwortung für die Definition und Durchführung ihrer Aufgaben und Ziele in Forschung und Lehre sowie für die Verteilung und Verwaltung der Mittel gerecht zu werden.

Nach Vorbereitung in einer Arbeitsgruppe, in der die Hochschulrektorenkonferenz, die HIS GmbH und das Centrum für Hochschulentwicklung mitgewirkt haben, hat der Hochschulausschuß am 03.05.1996 den Bericht "Leitungsstrukturen im Hochschulbereich" vorgelegt. Der Bericht wurde von der Kultusministerkonferenz am 13.09.1996 zur Kenntnis genommen. Die Länder werden die in dem Bericht enthaltenen Vorschläge bei der künftigen Ausgestaltung der Leitungsstrukturen im Hochschulbereich in ihre Überlegungen miteinbeziehen.

B. Diskussionsstand und Problemlage

1. Stärkung der Finanzautonomie der Hochschulen und Differenzierung der Mittelverteilung

Die Kultusministerkonferenz hat mit Beschluß vom 15.04.1994 "11 Thesen zur Stärkung der Finanzautonomie der Hochschulen" zur Kenntnis genommen, die mit dem Bericht zur "Differenzierung der Mittelverteilung im Hochschulbereich" (Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 26.01.1996) weiter konkretisiert wurden. In These 9 des Beschlusses vom 15. April 1994 wird ausdrücklich hervorgehoben, daß sich die Leitungsstruktur der Hochschulen der größeren Verantwortlichkeit der Hochschulen für die Bewirtschaftung des Haushalts anpassen muß. Dabei wird die notwendige Professionalisierung der Hochschulleitung und die Stärkung der Funktion des Dekans ausdrücklich hervorgehoben. Die 11 Thesen zur Stärkung der Finanzautonomie der Hochschulen sind diesem Bericht als Anlage beigefügt. Die wesentlichen Ergebnisse des Berichts zur Differenzierung der Mittelverteilung im Hochschulbereich haben unter Kapitel D "Verhältnis Staat–Hochschule, insbesondere im Finanzbereich" Eingang in dem vorliegenden Bericht gefunden. Im übrigen wird auf die gesonderte Veröffentlichung der Kultusministerkonferenz hingewiesen.

2. Verbesserung der Leitungs- und Entscheidungsstruktur an den Hochschulen

In der aktuellen und sich zunehmend verdichtenden national und international geführten Diskussion zur Hochschulreform spielt die Verbesserung der Leitungs- und Entscheidungsstrukturen an den Hochschulen eine zentrale Rolle, ohne die den wachsenden Problemen der Hochschulen erkennbar nicht begegnet werden kann. Bezeichnend ist insoweit folgendes Zitat im Buch von Karl Alewell "Autonomie mit Augenmaß" (1993): "Weder die kollegialen Entscheidungsstrukturen der alten Ordinarienuniversität noch die ermüdende Selbstblockierung der neuen Gruppenuniversität setzen genügend innere Dynamik frei, um auf die Anforderungen der Expansion des Hochschulwesens angemessen zu antworten."

In die gleiche Richtung zielen die Vorschläge des Wissenschaftsrates in seinen Zehn Thesen zur Hochschulpolitik vom 22.01.1993. Er fordert eine Strukturveränderung und Reform der Steuerung der Hochschulen und stellt dazu ausdrücklich fest:

"Die vorgeschlagene Stärkung der Autonomie gibt den Hochschulen mehr Verantwortung für ihre Leistungen, die Verwendung der Mittel und für ihre Entwicklungsplanung. Von den Hochschulen muß erwartet werden, daß sie diese mit der Autonomie verbundene Aufgaben auch in schwierigen Fragen der Prioritätenbildung und der Kontrolle der Leistungen erfüllen. Um die geforderte Verantwortung für die Lehre übernehmen zu können, müssen vor allem die Aufgabenkompetenzen der Dekane gestärkt werden."

Im Eckwertepapier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 05.05.1993 zur Vorbereitung des bildungspolitischen Spitzengesprächs werden ähnliche Forderungen erhoben. Unter der Überschrift "Mehr Autonomie und Eigenverantwortung" heißt es:

"Stärkung der Leitung der Fachbereiche/Fakultäten und der Stellung der Dekane im Hinblick auf die Organisation des Studiums, den Einsatz der Hochschullehrer in der Lehre (insbesondere Erfüllung der Lehrdeputate) und die Verteilung zusätzlicher Mittel."

Die Ministerpräsidenten der Länder haben in ihrer bildungspolitischen Erklärung vom 27.10. – 29.10.1993 weitere Maßnahmen für erforderlich gehalten, um die Hochschulen in ihrer Eigenverantwortlichkeit und ihrer Effizenz zu stärken:

"Die Leitungsstrukturen der Hochschulen sollen den Erfordernissen eines modernen und anspruchsvollen Dienstleistungsunternehmens angepaßt, die Fakultäts-/Fachbereichsebene soll gestärkt werden.

Der Autonomiebereich der Hochschulen soll erweitert werden, insbesondere bei der Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln soll den Hochschulen mehr Selbständigkeit und Flexibilität eingeräumt werden."

Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie hält in seinen "Bildungs- und forschungspolitischen Schwerpunkten 1995" vom 08.02.1995 auf der Basis der Vorschläge im "Eckwertepapier" u. a. die Einführung einer leistungsabhängigen Hochschulfinanzierung, die Stärkung der Leitung der Hochschulen, die Schaffung einer internen und externen Evaluation von Lehre und Forschung für erforderlich.

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz hat in seinem Jahresbericht 1994 darauf hingewiesen, daß der Hochschulsektor mit anderen Politikbereichen im Wettbewerb um öffentliche Mittel stehe. Er hat in diesem Zusammenhang mehrfach gefordert, daß die Hochschulen auch deshalb wettbewerbsfähig gemacht werden müßten. So müßten sie in die Lage versetzt werden, ihre Schwerpunkte in der Forschung und ihre Angebote in Lehre und Studium selbst zu bestimmen. Notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung sei insbesondere die Übertragung von mehr Finanzverantwortung auf die Hochschulen. Zur Herstellung von Entscheidungsfähigkeit in der Hochschule sei außerdem eine bestimmte Entscheidungsorganisation, zur Herstellung von Entscheidungseffizienz die persönliche Zurechenbarkeit von und Verantwortung für Entscheidungen und deren Unterlassung notwendig. Die gegenwärtigen Organisationsstrukturen in den Hochschulen seien im Hinblick auf die Verwirklichung eines solchen Konzepts nicht unbedingt optimal. Gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung hat die HRK im Februar 1994 das CHE – Gemeinnütziges Centrum für Hochschulentwicklung – gegründet. Einer der fünf Arbeitsschwerpunkte des CHE befaßt sich mit Führungs- und Organisationsstrukturen an Hochschulen. Das CHE unterstützt hierbei die Entwicklung von Konzepten und Modellen für eine leistungsorientierte und wettbewerbliche Steuerung von Hochschulen. Insbesondere werden Dezentralisierung von Verantwortung, Entwicklung von Leistungsindikatoren und Professionalisierung des Managements auf Instituts-, Fachbereichs- und Hochschulebene als Schritte zu neuen Führungs- und Organisationsstrukturen gemeinsam mit Projektpartnern entwickelt.

3. Steigerung der Leistungsfähigkeit der Hochschulen durch mehr Autonomie und Eigenverantwortung / Verbesserung der Finanzausstattung

Hinter diesen und allen weiteren Forderungen, insbesondere auch der Hochschulen selbst, steht die Erwartung, daß es im Interesse der qualitativen Zukunftssicherung der Hochschulen bei hohen Studierendenzahlen und gleichzeitig knappen öffentlichen Ressourcen unerläßlich ist, die Leistungsfähigkeit der Hochschulen durch mehr Autonomie und Eigenverantwortung zu steigern. Deregulierung und Dezentralisierung sollen den Entscheidungsspielraum der Hochschule erweitern. Eine Reform der inneren Strukturen der Hochschule soll deren Selbststeuerungsfähigkeit stärken und auf diese Weise Effektivität und Wirtschaftlichkeit des Ressourceneinsatzes verbessern.

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D. Verhältnis Staat/Hochschule, insbesondere im Finanzbereich

Die Aufgaben- und Kompetenzverteilung im Verhältnis Staat/Hochschulen, insbesondere im Finanzbereich, ist dadurch geprägt, daß der Staat ex ante in den Prozeß der Aufgabenwahmehmung eingreift. Dabei ist bedeutsam, daß die anstaltliche Komponente der Hochschulen insbesondere beim Haushalt und beim Personal auch ständige prozeßbegleitende staatliche Eingriffe und Mitwirkungsvorbehalte produziert, weil der Staat glaubt, nur so seiner unmittelbaren Verantwortlichkeit für diesen Bereich gerecht werden zu können. Ebenso einsichtig ist aber auch die Haltung der Hochschulen, die darauf verweisen, daß das Recht der Selbstverwaltung in akademischen Angelegenheiten in den Rechtsformen einer mitgliedschaftlich organisierten Körperschaft Umsetzungschancen nur dann hat, wenn den Hochschulen auch institutionell mehr Eigenständigkeit bei der Handhabung der Instrumente (insbesondere Haushalt und Personal) eingeräumt wird.

Die staatlichen Vorgaben sollten sich mehr an den Aufgaben und Leistungen orientieren und sich nicht in erster Linie durch Eingabedaten und Vorwegregelungen ausdrücken. Die ex ante-Steuerung sollte weitgehend durch eine ex post-Steuerung abgelöst werden, d. h. eine detaillierte Prozeßsteuerung des Staates sollte in dem Maße aufgegeben werden, in dem zwischen Staat und Hochschulen Vereinbarungen und Festsetzungen über Aufgaben und Ziele getroffen werden. Es ist dann Aufgabe der Hochschulen, sich für einen optimalen Weg zur Erreichung dieser Ziele zu entscheiden. Für die Gesamtverantwortung der Hochschulleitung bedeutet dies, daß sie nicht mehr einem Nebeneinander weitgehend selbständiger Lehr- und Forschungseinheiten gegenübersteht, sondern daß die Hochschulleitung mehr als bisher diese Einheiten zu einer stärker aufeinander abgestimmten Zielsetzung zusammenführen muß.

Unabhängig von der Notwendigkeit, die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen (wie im Eckwertepapier dargestellt) abzumildern, werden sich die Hochschulen darauf einrichten müssen, neuen Aufgaben und wechselnden Nachfragen im Rahmen vorgegebener Ressourcen zu begegnen. Dies kann in einem bestimmten Umfang durch eine effektivere und effizientere Nutzung vorhandener Mittel oder auch durch Umschichtung geschehen. Ferner sollte auch die Verbesserung der Erträge ins Auge gefaßt werden, wobei der Staat Anreize in der Form setzen sollte, daß den Hochschulen Mehreinnahmen ungeschmälert belassen bleiben. Die hochschulinterne Mittelverteilung wird nicht mehr allein durch den Umfang der Aufgaben, sondern auch durch Leistungs- und Erfolgskriterien bestimmt sein. Schließlich ist planerisches Vorausdenken auch beim Mitteleinsatz erforderlich. Derartige Steuerungsprozesse müssen sowohl auf zentraler als auch auf der Ebene der Fachbereiche/Fakultäten erfolgen. Der Grundsatz lautet also: Zentrale Konzeption mit organisierter Absprache bei möglichst dezentraler Aufgabenwahmehmung und Verantwortung.

Für die Entscheidungs- und Leitungsstruktur einer Hochschule bedeutet dies, daß in eigener Verantwortung zunächst eine strategische Planung mit Zielsetzungen sowohl in der Lehre als auch in der Forschung und bei den Dienstleistungen vorgenommen werden muß (wozu wird die Hochschule tätig?). Darauf muß eine programmatische Planung in mittel- und kurzfristiger Perspektive aufgebaut werden. (Was soll geschehen, um die Ziele zu erreichen?). Zwischen beiden Schritten ist eine kontinuierliche Wirksamkeitsanalyse erforderlich. Schließlich muß entschieden werden, womit d. h. mit welchen Ressourcen das Programm umgesetzt werden soll. Dazwischen liegt wiederum ein kontinuierlich wahrzunehmender analytischer Prozeß, Programm- und Ressourcenverbrauch müssen an Maßstäben der Wirtschaftlichkeit meßbar sein; denn es genügt nicht, daß die Hochschule – in Vereinbarung mit dem Staat– die Ziele verfolgt und diese auch in angemessenem Umfang erreicht, sondern es muß auch geprüft werden, ob dazu wirklich die tatsächlich verbrauchten Ressourcen benötigt werden. Für diese analytische Aufgabe ist insbesondere der Aufbau eines wirksamen Controllings (s. dazu unten Kapitel F) von Bedeutung.

Sind diese Schritte insgesamt getan, muß mit dem Staat abgestimmt werden, ob das erreichte Ergebnis von der Zielsetzung her noch einmal korrigiert werden muß, weil der zeitliche und finanzielle Aufwand zur Erreichung des Ziels im Vergleich zu anderen Zielen unangemessen hoch ist. Zielsetzung und programmatische Ausformung einerseits und die operative Umsetzung und Analyse andererseits sollten klar von einander getrennt werden. Die operative Umsetzung, aber auch Initiativen auf strategischer und programatischer Ebene, sollten in der Hand der Leitungsebene liegen. Der gesamte Prozeß vollzieht sich auf der zentralen Hochschulebene und wiederholt sich sodann auf der Ebene der Fakultäten/Fachbereiche.

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G. Zusammenfassung

1. Ausgehend von den in der Kultusministerkonferenz im April 1994 beschlossenen 11 Thesen zur Stärkung der Finanzautonomie der Hochschulen und dem von der Kultusministerkonferenz im Januar 1996 beschlossenen Bericht zur Differenzierung der Mittelverteilung im Hochschulbereich werden mit dem vorliegenden Bericht zu den "Leitungsstrukturen im Hochschulbereich" Vorschläge für eine Weiterentwicklung der Leitungsstrukturen der Hochschulen auf zentraler Ebene und auf der Ebene der Fachbereiche unterbreitet, die der größeren Verantwortung der Hochschulen für Definition und Durchführung ihrer Aufgaben und Ziele in Forschung und Lehre sowie für die Verteilung und Verwaltung der Mittel Rechnung tragen.

2. Entsprechend dem Bericht "Differenzierung der Mittelverteilung im Hochschulbereich" liegt den Vorschlägen für eine Stärkung der Leitungsstrukturen die Annahme zugrunde, daß sich im Verhältnis Staat/Hochschule die staatlichen Vorgaben künftig mehr an den Aufgaben und Leistungen der Hochschulen orientieren werden. Die bisher übliche ex ante-Steuerung wird zunehmend durch eine ex post-Steuerung abgelöst werden, d. h. eine detaillierte Prozeßsteuerung des Staates wird in dem Maße aufgegeben, in dem zwischen Staat und Hochschulen Vereinbarungen und Festsetzungen über Aufgaben und Ziele getroffen werden. Die Entscheidungs- und Leitungsstrukturen müssen so ausgestaltet sein, daß die Hochschule in der Lage ist, in eigener Verantwortung strategische Planung mit Zielsetzung sowohl in der Lehre als auch in der Forschung und bei den Dienstleistungen vorzunehmen, diese in eine programmatische Planung mit mittel- und kurzfristiger Perspektive umzusetzen und über die zur Verwirklichung der Zielsetzungen notwendigen Ressourcen zu entscheiden. Bei der Entwicklung der Vorschläge für die Leitungsstrukturen wird davon ausgegangen, daß entsprechend dem Szenario A des Berichts "Differenzierung der Mittelverteilung im Hochschulbereich" der staatliche Charakter des Haushalts- und Personalwesens beibehalten, die Kameralistik weitgehend reformiert und eine Bemessung von Tellbudgets im Verhältnis Staat/Hochschule nach aufgaben- und leistungsbezogenen Parametern vorgenommen wird. In einem Ausblick werden die Anforderungen an die Leitungsstrukturen beschrieben, die sich ergeben, wenn die Hochschulen entsprechend Szenario B als echte Selbstverwaltungskörperschaften mit eigenem Personal und eigenem Haushalt ausgestaltet werden.

3. Die Vorschläge für eine Verbesserung der Leitungsstrukturen orientieren sich an folgenden Grundsätzen:

3.1 Bei der Aufgabenwahrnehmung sowohl auf der zentralen Ebene der Hochschulen als auch auf der Ebene der Fachbereiche und Institute soll deutlicher als bisher zwischen Zieldefinitions- und Kontrollfunktion einerseits sowie Initiativ- und operativer Exekutivfunktion andererseits unterschieden werden.

3.2 Zieldefinitions- und Kontrollfunktionen sind von gruppenbezogen zusammengesetzten Gremien, initiativ- und operative Exekutionsfunktionen von monokratischen oder kollegial zusammengesetzten Organen wahrzunehmen. Die Zuständigkeitsregelungen müssen verantwortliche Entscheidungsträger ausweisen, die gegebenenfalls auch persönlich ich zur Verantwortung gezogen werden können.

3.3 Exekutivorgane müssen in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben sachgerecht erfüllen zu können. Dafür sind je nach Größe des Verantwortungsbereichs und Umfang der wahrzunehmenden Aufgaben erforderlich:

3.4 Alle Aufgaben sind möglichst abschließend auf der jeweils in der Sache kompetentesten Ebene zu erledigen. Insoweit gilt der Satz: Zentrale Konzeption mit organisierten Absprachen bei möglichst dezentraler Aufgabenwahrnehmung und Verantwortung. Auf einer Ebene sowie zwischen den verschiedenen Ebenen der Hochschulen bedarf es klarer Aufgabenabgrenzungen und Regelungen des Zusammenwirkens mit präziser Ausgestaltung der Entscheidungskompetenzen, der Mitwirkungsrechte und Informationspflichten.

4. Die Vorschläge für neue Leitungsstrukturen werden zunächst unter den Voraussetzungen des Szenario A entwickelt. Sie orientieren sich am Modell einer kollegialen Leitung (Rektorat/Präsidialkollegium) als einem "Vorstand" mit einer Verteilung von Ressortaufgaben auf seine einzelnen Mitglieder. Mitglieder des Vorstands sind der Rektor/Präsident, die Prorektoren/Vizepräsidenten und der Kanzler.

5. Wichtige Aufgabe des Rektorats/Präsidialkollegiums ist die Initiierung und Koordinierung strategischer Konzepte für die Gesamtentwicklung der Hochschule. Der Leitung sollte ein Verfügungsfond mit Mitteln zur befristeten und leistungsbezogenen Zuweisung von Ressourcen an die Fachbereiche zur Verfügung stehen.

5.1 Die neuen Leitungsstrukturen erfordern einen Rektor/Präsidenten, der von seiner Vorbildung und Erfahrung her geeignet ist, die Hochschule in allen Belangen kompetent und effizient zu leiten und nach außen zu vertreten. Der Rektor/ Präsident muß möglichst unabhängig von den Interessen einzelner Hochschulgruppen oder Fachbereiche sein und die Hochschule als Ganzes vertreten. Aus diesen Anforderungen folgt, daß die Wahrnehmung der Hochschulleitung durch einen Professor der jeweiligen Hochschule nicht zwingend vorgegeben werden muß. Öffentliche Auschreibung des Amtes und Amtszeiten von etwa sechs Jahren sind ebenso erforderlich wie eine Vergütung, die das Amt für hervorragend qualifizierte Bewerber attraktiv macht.

5.2 Wie die anderen Mitglieder des Vorstands muß der Kanzler voll in die Verantwortung für die Leitung der Hochschule als Ganzes eingebunden sein. Die Leitung der Hochschule umfaßt auch die Hochschulverwaltung. Entsprechend der ressortmäßigen Funktionsaufteilung im kollegialen Leitungsorgan ist der Kanzler der Leiter des Ressorts Haushalt/Personal. Unter den Voraussetzungen von Szenario A bleibt der Kanzler Leiter der gesamten Verwaltung. Die Personal- und Wirtschaftsverwaltung als staatliche Aufgabe sowie die universitäre Selbstverwaltung bleiben in der sogenannten Einheitsverwaltung zusammengefaßt. Der Kanzler ist Beauftragter für den Haushalt. Die Bestellung des Kanzlers kann im Benehmen mit dem Rektor/Präsidenten auf Zeit erfolgen.

6. Der Senat hat in erster Linie Zieldefinitions- und Kontrollaufgaben. In diesem Rahmen entscheidet er in wichtigen Grundsatzangelegenheiten (insbesondere Strukturfragen und Entwicklungsangelegenheiten). Insofern sind die Beschlüsse des Senats für die Exekutivorgane auf allen Ebenen bindend. Der Rektor/Präsident gehört dem Senat, infolge der notwendigen Funktionstrennung auf der Leitungsebene nicht, oder lediglich ohne Stimmrecht an. Die Dekane können im Senat mit beratender Stimme mitwirken.

7. Initiativ- und Exekutivfunktionen auf der Ebene der Fachbereiche werden vom Dekan wahrgenommen. Dem "Dekan neuer Prägung" sind besondere Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Verfügungsrechte einzuräumen. Ihm können – je nach Größe und Struktur des Fachbereiches – ein oder mehrere Studiendekan/e zugeordnet werden. Das Amt des Dekans muß entsprechend der gesteigerten Verantwortung ausgestattet werden. Der Fachbereichsrat entscheidet in grundsätzlichen Angelegenheiten in Forschung und Lehre und nimmt ergebnisorienticrte Kontrollfunktionen mit Anspruch auf Rechenschaftslegung durch den Dekan wahr.

8. Die Institute sind unselbständige Einrichtungen der Fachbereiche. Sie werden für bestimmte Daueraufgaben der Fachbereiche in Forschung und Lehre auf Antrag der Fachbereiche durch Beschluß des Senats oder Organisationsakt des Ministeriums gebildet. Auch nach Bildung eines Instituts bleibt die generelle Verantwortlichkeit eines Fachbereichs für die dem Institut übertragenen Aufgaben erhalten.

9. In einem Ausblick auf die Entwicklung der Leitungsstrukturen in Hochschulen mit echter Selbstverwaltung (Szenario B) wird die gesteigerte Verantwortung der Hochschulleitung in einem solchen System dargestellt. Die Aufgabenfülle mit entsprechender umfänglicher Verantwortung nach innen und außen spricht für eine hauptamtliche und durch professionelles Management ausgewiesene Leitung, die am ehesten durch einen Präsidenten vorstellbar ist. Als weitgehend autonom ausgestaltete Selbstverwaltungskörperschaft bedarf die Hochschule zusätzlicher externer Aufsichts- und Kontrollmechanismen, wie sie in einem dem amerikanischen Board of Trustees nachgebildeten Aufsichtsrat gegeben sind.

10. Die steigende Komplexität der Anforderungen an die Hochschulleitung macht ein effizientes Controlling unabdingbar. Allerdings können Regelmechanismen der Wirtschaft nicht einfach auf die Hochschulen übertragen werden. Für die Hochschule ist daher ein spezifisches Hochschulcontrolling als ein System zur Steigerung der Effizienz unter den Rahmenbedingungen der Freiheit von Forschung und Lehre sowie der gesetzlichen haushaltsmäßigen Regelungen des Staates zu entwickeln. Als Ziel-Verfolgungs-System setzt Controlling das Vorhandensein operationaler Ziele voraus. Der Erfolg des Controllings hängt somit davon ab, daß die einzelne Hochschule in der Lage ist, im inneren Konsens Ziele und Leitlinien zu formulieren. Der Controller ist an die oberste Managementebene der Hochschule angebunden, die er als betriebswirtschaftlicher und strategischer Berater unterstützt.


bay, 15.3.1999, URL www.michael-bayer.de