In der Hochschulpolitik der Länder und des Bundes stehen Entscheidungen an, die langfristige Auswirkungen auf die Entwicklung von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft haben werden. Zehn Jahre nach dem sogenannten Öffnungsbeschluß der Regierungschefs hat die Überlastung der Hochschulen aufs Ganze gesehen, in etwa ihren Höhepunkt erreicht. Der im nächsten Jahrzehnt erwartete allmähliche Rückgang der Studienanfänger- und Studentenzahlen eröffnet die Chance einer Normalisierung und damit die Möglichkeit, die Qualität von Forschung und Lehr zu verbessern und neue oder bisher zurückgestellte Aufgaben anzugehen.
Voraussetzung dafür ist, daß die Substanz der Hochschulen mindestens Umfang erhalten bleibt. Dabei bedeutet Substanzeerhaltung nicht Zementierung des status quo, sondern steckt lediglich den materiellen Rahmen ab, in dem sich die Hochschulen und die Hochschulpolitik den neuen Herausforderungen stellen können und müssen. Diesen Rahmen festzulegen, ist Sache einer erneuten Leitentscheidung der Regierungschefs; ihn zum Nutzen von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu füllen, erfordert einen verständigen Dialog aller Verantwortlichen und Beteiligten. Für diesen Dialog sollen die folgenden Leitsätze der WRK einen Anstoß geben und die Position der Hochschulen formulieren; sie fassen die wichtigsten Aussagen zusammen die in den ausführlichen "Überlegungen für eine zukunftsorientierte Hochschulpolitik": im Zusammenhang dargelegt und näher begründet sind.
I. Die Herausforderungen der Zukunft und der Beitrag der Hochschulen
1. Hochschulen dienen der Pflege und Entwicklung der Wissenschaft in Forschung, Lehre und Studium. Sie sind die wichtigsten Träger der Grundlagenforschung und tragen durch ihren Wissenstransfer zur Lösung konkreter Probleme in Wirtschaft und Gesellschaft bei. Sie bilden nahezu ein Viertel eines Altersjahrgangs für gehobene Berufstätigkeiten und Führungsaufgaben aus und beteiligen sich an deren Weiterbildung. Sie qualifizieren den wissenschaftlichen Nachwuchs auch für externen Forschungseinrichtungen des Staates und der Unternehmen. Im Zusammenhang mit diesen Primäraufgaben bieten sie eine Fülle von Dienstleistungen an, die von der Hochleistungsmedizin bis zu kulturellen Angeboten reichen. Sie tradieren das Wissen und erweitern es zugleich, bewahren das kulturelle Erbe und entwickeln es durch kritische Infragestellung fort; sie organisieren den lebendigen Dialog der Generationen und sind damit nicht zuletzt Seismographen der Zukunft.
Manche dieser Teilfunktionen, die in Politik und Öffentlichkeit je nach aktueller Interessenlage unterschiedlich wahrgenommen und wertgeschätzt werden, mögen von einzelnen, darauf spezialisierten Einrichtungen gleich gut oder besser wahrgenommen werden. Aber es gibt keine anderen Institutionen als die Hochschulen, die diese verschiedenen Funktionen zu einem Ganzen vereinen, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Die Wirksamkeit und Nützlichkeit dieser Konzeption für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft ist nicht nur historisch belegt; sie ist auch für die Zukunftsgestaltung einer hochentwickelten Industrie- und Kulturnation von unveränderter Aktualität.
2. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß die Zukunft unserer Gesellschaft noch mehr als die Gegenwart von Wissenschaft, Technik, Kunst und Kultur geprägt sein wird und daß demgemäß Nachfrage und Bedarf an Hochschulleistungen wachsen. Indizien in dieser Richtung sind: das exponentielle Wachstum des Wissens; der fortschreitende technologische Wandel und die Notwendigkeit seiner humanen Gestaltung und geistigen Verarbeitung; der sich verschärfende internationale europainterne und weltweite -Wettbewerb mit daraus folgenden höheren Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten und die Forschungsintensität der Produkte und Produktionsprozesse; die Verschiebung im Altersaufbau der Bevölkerung mit der Folge, daß Innovation mehr als bisher durch Weiterbildung älterer Beschäftigter gewährleistet werden muß; die im Zuge der raschen Veränderungen wachsenden Bedürfnisse nach geistiger Orientierung; vor allem aber eine Fülle ungelöster komplexer Fragestellungen, die von lokalen Alltagsproblemen bis zu weltweiten Herausforderungen reichen und die selbst dort, wo sie von der wissenschaftlich-technischen Entwicklung mitverursacht worden sind nur mit Hilfe der Wissenschaft erfolgreich angegangen werden können. Alle diese Tatsachen und Tendenzen, je für sich und verstärkt in ihrer Kombination, drängen dazu, mehr noch als bisher in Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung zu investieren.
3. Im Widerspruch zu dieser- auch von der Politik häufig genug beschworenen Erkenntnis steht die tatsächliche Entwicklung der Hochschulfinanzierung in den letzten zehn Jahren. Seit dem sogenannten Öffnungsbeschluß der Regierungschefs von Bund und Ländern sind zwar die Studienanfängerzahlen um rund 30 Prozent, die Studentenzahlen sogar noch stärker gestiegen; gleichzeitig ist aber der Anteil der Hochschulausgaben am öffentlichen Gesamthaushalt und am Bruttosozialprodukt deutlich zurückgenommen worden. DA der Bestand an wissenschaftlichem Personal Kliniken ausgenommen leicht rückläufig war verschlechterte sich die Betreuungsrelation (Studenten/Studienanfänger pro Stelle für wissenschaftliches Personal) um rund ein Drittel; um mindestens gleichviel sank der Sachmittelaufwand je Student.
Diese Diskrepanz von Sparpolitik und Überlast hat ihren Preis gefordert in Form verschlechterter Studienbedingungen, einer Schwächung der Hochschulforschung und der unvertretbar schwierigen Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses. Solche Einbußen mögen für einen kürzeren Zeitraum noch hingenommen und durch besondere Anstrengungen aufgefangen werden; auf längere Sicht würden sie zu irreparablen Schäden an der Substanz der Hochschule und damit zu schwerwiegenden Verlusten für alle externen Abnehmer von Hochschulleistungen führen. Es ist daher höchste Zeit, den negativen Trend in der Hochschulfinanzierung des letzten Jahrzehnts zu stoppen und nach Möglichkeit umzukehren.
4. Dieser Forderung kann nicht wie zuletzt im Beschluß der Finanzministerkonferenz vom 5. Mai1988 entgegengehalten werden, daß im nächsten Jahrzehnt aus demographischen Gründen die Studienanfänger- und Studentenzahlen um rund 30% sinken werden. Abgesehen davon, daß Studentenzahlen nur eines von mehren Kriterien der Hochschulfinanzierung sind, sprechen Erfahrungstatsachen und plausible Indizien dafür, daß dieser Rückgang sich verzögern und vor allem geringer ausfallen wird; der Anteil der Hochschuolberechtigten am Altersjahrgang wird weiter steigen, die Studierneigung (oftmals erst nach vorgeschalteter Berufsausbildung) wird wieder wachsen, der Ausländeranteil noch zunehmen und zusätzlicher Nachfrage im Bereich der Weiterbildung und des Seniorenstudiums entstehen Vor allem aber würde selbst ein Rückgang der Studentenzahlen um ein Drittel nur den Zutand wiederherstellen, der vor dem Beschluß der Öffnungspolitik (bei seinerzeit über 40 numerus clausus-Studiengängen) bestanden hatte.
Da seither das Personal nicht entsprechend dem Studentenzuwachs aufgestockt worden ist, kann es nun auch nicht mit dem Argument sinkender Studentenzahlen abgebaut werden. Geschähe dies gleichwohl, so würden die vorübergehende Überlast im nachhinein zur Normbelastung auf Dauer umdefiniert und der Mangel zur Norm gemacht. Damit wären zugleich die Chancen vertan für Qualtätsverbesserungen, die sich aus einer Normalisierung der Studentenzahlen ergeben. Nicht zuletzt würden die Hochschulen für ihre besonderen Ausbildungsanstrengungen zugunsten der geburtenstarken Jahrgänge und damit für ihre loyale Unterstützung der Öffnungspolitik auch noch bestraft. Die Regierungschefs von Bund und Ländern stehen im Wort, daß es dazu nicht kommt.
5. Diese Erwartungen der Hochschulen richten sich in erster Linie an die Länder die die Hochschulen tragen und deren Aufwendungen zu vier Fünfteln finanzieren Die Entwicklung ist in den einzelnen Ländern unterschiedlich verlaufen und wird dies künftig vielleicht noch stärker tun, wobei die unterschiedliche Finanzkraft der Länder eine entscheidende, aber offenbar nicht allein maßgebende Rolle spielt. Diese verkürzt als "Süd-Nord-Gefälle" bezeichnete Unterschiedlichkeit in Situation und Perspektive unserer Hochschulen ist ein zusätzliches Argument für ein verstärktes Engagement des Bundes; unabhängig davon ist der Bund in einer ganzen Reihe von hochschulbezogenen Aufaben- und Ausgabenbereichen von Verfassungs wegen mitverantwortlich (Förderung der Forschung einschließlich des wissenschaftlichen Nachwuchses, BaföG, Hochschulausbau und neubau einschließlich Ausstattungsinvestitionen, Auswärtige Kulturpolitik einschließlich Förderung des Wissenschaftler- und Studentenaustausches. Aus der Mitverantwortung hat sich der Bund im letzten Jahrzehnt also parallel zu der von ihm mitbeschlossenen Öffnungspolitik schrittweise zurückgezogen und seinen Finanzierungsanteil um nahezu ein Drittel reduziert. Diese Entwicklung widerspricht gesamtstaatlichen Interessen; sie darf nicht fortgesetzt, sondern muß in Richtung auf die frühen Lastenverteilung umgekehrt werden.
II. Die Hochschulen der Zukunft und die Chancen der Normalisierung
Erhaltung der Hochschulsubstanz heißt nicht Festschreibung des Bestehenden. viel mehr sollen dadurch im Zuge der Normalisierung der Überlast überhaupt erst die Spielräume wieder eröffnet werden, die für gezielte Verbesserungen in Forschung und Lehre und für die zukunftsgerechte Gestaltung des Hochschulwesens unverzichtbar sind.
6. In der Forschung wird es vorrangig darum gehen, den Trend zur Auslagerung aus den Hochschulen umzukehren und der Hochschulforschung midestens den Stellenwert zurückzugeben, den sie vor Beginn der Öffnungspolitk hatte und aus guten Gründen auch künftig innehaben sollte. Dazu muß vor allem die zunehmend notleidende Grundausstattung mit Geräten und Sachmitteln so verbessert werden, daß die Hochschulen im Wettbewerb um externe Förderungsmittel (Drittmittel) des Staates und der Wirtschaft einschließlich der Europäischen Gemeinschaften konkurrenzfähig bleiben bzw. werden. Der Hochschulforschung sollten aber auch außerhalb thematisch fixierter Programme genügend freie Mittel für selbstgewählte Themenstellungen ungeachtet aktueller Verwertungsaussichten bleiben. Gerade diese ungesteuerte Grundlagenforschung hat sich als eigentliches Ferment bahnbrechender neuer Erkenntnisse erwiesen und oft genug unvorhergesehenen praktischen Ertrag erbracht. Für diese Forschung ist neben den Eigenmitteln der Hochschulen die Förderung durch die DFG und die Stiftungen von größter Bedeutung. Deren Leistungskraft zu stärken muß daher ein vorrangiges Ziel zukunftsorientierter Forschungspolitik sein.
7. Eine Schlüsselfrage für die künftige Hochschulentwicklung und für alle externen Abnehmer ist die Situation und Perspektive des wissenschaftlichen Nachwuchses. Bedingt durch Verzerrungen in der Altersstruktur des Lehrkörpers und durch die Sparpolitik des Staates stehen derzeit in vielen Disziplinen selbst für hervorragende Nachwuchskräfte nicht genügend Professorenstellen zur Verfügung; die Lage wird sich erst in einigen Jahren entspannen, dann möglicherweise in einzelnen Fächern umkehren. Hier muß der Staat durch eine antizyklische Stellenpolitik für eine kontinuierliche Erneuerungsrate sorgen; damit würde zum einen das jetzt verfügbare wissenschaftliche Potential genutzt, zum anderen die Kreativität der Hochschulforschung gesichert und schließlich ein motivierendes Zeichen gesetzt, daß das Risiko einer wissenschaftlichen "Karriere" jedenfalls für die Besten kalkulierbar bleibt. Auch und gerade in der Wissenschaft muß sich Leistung lohnen.
Aus diesem Grunde muß das von den Ministerpräsidenten der Länder im Prinzip befürwortete Fiebiger-Programm nunmehr rasch und in allen Ländern in dem Umfang durchgeführt werden, der im Memorandum der Wissenschaftsorganisationen vom 16. Oktober 1984 eingehend begründet worden ist. Zusätzlich müssen auf absehbare Zeit das bewährte Heisenberg-Programm fortgeführt und andere Instrumente der Nachwuchs-förderung (insbesondere der DFG und der Stiftungen) ausgebaut werden. Die Hochschulen ihrerseits müssen die Attraktivität einer wissenschaftlichen "Laufbahn" verstärkt auch für weibliche Nachwuchskräfte dadurch erhöhen, daß sie die Promotions- und Habilitationsdauer ohne Senkung des Standards spürbar verkürzen. Graduiertenkollegs können hierfür neue Impulse geben, die freilich nicht durch Verschlechterungen an anderer Stelle erkauft werden dürfen.
8. Im Bereich von Studium und Lehre wird das Bemühen um eine Verkürzung der Studiendauern im Vordergrund stehen. Dies kann, auch im Blick auf internationale Äquivalenten, nicht durch weitere Herabsetzung der Regelstudienzeiten gar noch auf ein für alle Studiengänge gleiches Einheitsmaß geschehen. Vielmehr muß bei den vielschichtigen hochschulinternen und -externen Gründen angesetzt werden die zu den erheblichen Überschreitungen geltender Regelstudienzeiten führen. Dazu hat die WRK schon früher einen Katalog von Vorschlägen entwickelt (Beschluß des 151 Plenums vom 3. Februar 1987; vgl. WRK-Arbeitsbericht 1987, S.10i ffj).
Kernstück aller Bemühungen muß es sein, die Betreuungsverhältnisse (Studenten je Stelle für wissenschaftliches Personal) mindestens wieder auf den Stand vor dem Öffnungsbeschluß zu verbessern; die WRK hat daher in Zusammenarbeit mit den Fakultätentagen die geltenden Curricularnormwerte, die den Betreuungsaufwand pro Student im Falle der Höchstbelastung nominieren, kritisch überprüft und detailliert begründete Vorschläge für deren Neufestsetzung entwickelt Werden diese Vorschläge zumindest schrittweise umgesetzt und durch eine Reihe anderer Maßnahmen ergänzt so lassen sich nicht nur die Studienzeiten deutlich verkürzen, sondern zugleich eine Reihe der neuen inhaltlichen Anforderungen erfüllen, denen eine zukunftsorientierte Hochschulausbildung gerecht werden soll; dazu zählt die Förderung besonderer Begabungen ebenso wie die verstärkte individuelle Beratung und Hilfe bei Schwierigkeiten im Studienverlauf, vor allem aber die Erweiterung der (Aus-)Bildung über den jeweiligen Fächerhorizont hinaus und nicht zuletzt über die nationalen Grenzen hinweg.
9. Mit der Maßgabe, daß sich die Studienbedingungen parallel zum Abbau der Überlast verbessern, sollte am Prinzip der Öffnungspolitik auch künftig festgehalten werde. Bundesweite Zulassungsbeschränkungen sollten daher die Ausnahme bleiben wo sie freilich zur Wahrung geordneter Studienbedingungen unerläßlich sind, dürfen sie auch nicht wie derzeit im Fach Betriebswirtschaftslehre aus Gründen politischer Opportunität verweigert werden. Längerfristig muß die Zulassung der Studenten wieder alle n in die Verantwortung der Hochschulen überführt werden; als Schritt auf diesem Weg sollten die Hochschulen schon jetzt eigenen Auswahl im Falle örtlicher Zulassungsbeschränkungen erhalten. Ansonsten sollte sich der Staat jeder administrativen Steuerung der Studentenströme weitestgehend enthalten das gilt sowohl für die Verteilung auf Universitäten und Fachhochschulen als auch für die Fächer und Ortswahl der Bewerber. Dies entspricht dem Verfassungsgrundsatz der freien Wahl der Ausbildungsstätte und schärft zugleich das Bewußtsein der Bewerber für das eigenverantwortliche Risiko ihrer Berufswahlentscheidung; damit wächst auch die Bereitschaft den Hilfen einer verantwortlichen Beratung zu folgen
10. Steuerungswirkungen für die individuelle Ausbildungsentscheidung gehen auch von der Höhe der Kosten und der Möglichkeit der Finanzierung des Studiums aus. Seit der Umstellung der Ausbildungsförderung auf Volldarlehen bei gleichzeitiger Ausgrenzung früher geförderter mittlerer Einkommensschichten (sogenanntes "Mittelstandsloch") Ist die Entscheidung zwischen einer Berufsausbildung (mit Ausbildungsvergütung) und einem Studium (mit Darlehensschulden) für schwächere Einkommensschichten nicht mehr kostenneutral; der Ausweg in verstärktes "Jobben" während des Studiums verlängert die Ausbildungszeit und gefährdet den Studienerfolg. Die WRK bekräftigt daher ihre Forderungen, die Hälfte des jeweiligen BAföG-Betrages als Zuschuß zu gewähren und das sogenannte "Mittelstandsloch" durch entsprechende Anhebung von Freibeträgen und Einkommensgrenzen zu schließen.
11. Das Anwachsen der Zahl der Erwerbspersonen mit Hochschulabschluß (Verdopplung zwischen den Jahren 1980 und 2000) und die ungünstige Entwicklung der Altersstruktur der Beschäftigten bei gleichzeitig steigendem lnnovationsbedarf in der Wirtschaft nötigen dazu, die Weiterbildung auch im Hochschulbereich auszubauen und fest zu etablieren. Notwendig ist dafür eine enge (Bedarfs->Abstimmung mit den Nachfragern von seilen des Staates, der Wirtschaft und gesellschaftlichen Organisationen, eine erwachsenengerechte und möglichst berufsbegleitende Gestaltung der Angebote und eine Reihe rechtlicher und organisatorischer Vorkehrungen, die die Weiterbildungsangebote in der Regie der Hochschule für alle Beteiligten nicht weniger attraktiv macht als die nebenamtliche Mitwirkung an Veranstaltungen externer Träger.
12. Die vielfältigen Dienstleistungen der Hochschulen von der medizinischen Versorgung über wissenschaftlich-technische Prüf- und Meßaufgaben und den Technologietransfer bis zu kulturellen Angeboten für eine breitere Öffentlichkeit sollten von den Hochschulen, auch als Beitrag zur regionalen Entwicklung, noch stärker ausgebaut und der Öffentlichkeit bewußt gemacht werden.
13. Die vielfältigen internationalen Arbeitskontakte und Personenbeziehungen der Hochschulen sind nicht nur eine Voraussetzung und Folge qualifizierter Forschung und Lehre; sie bilden auch ein politisches und ökonomisches Potential, dessen Wirkung für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und das Ansehen der Bundesrepublik in der Welt nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Diese Internationalen Beziehungen müssen ausgebaut werden, wobei die bevorstehende Vollendung des europäischen Binnenmarktes (1992) besondere Anstrengungen fordert. Das ehrgeizige Ziel des ERASMUS.Programms der EG, einem Zehntel der europäischen Studenten die Erfahrungen eines zeitweiligen Auslandsstudiums zu vermitteln, muß durch verstärkte nationale Anstrengungen unterstützt werden; bei derzeit rund zwei bis drei Prozent deutscher Studenten im Ausland ist es bis dahin ein weiter Weg. Im Gegenzug sollte auch der Anteil ausländischer Studenten in der Bundesrepublik von derzeit rund sechs Prozent auf etwa zehn Prozent angehoben werden; das erfordert allerdings eine ganze Reihe zusätzlicher Maßnahmen von der besseren Information über eine intensivere Betreuung bis zur Pflege von Nachkontakten, was ohne zusätzlichen Personal- und Mitteleinsatz nicht zu leisten ist.
III. Folgerungen für die Selbstverwaltung der Hochschulen und die Verantwortung des Staates
Wenn die Hochschulen diese Aufgaben wirkungsvoll erfüllen sollen, so brauchen sie, neben der finanziellen Unterstützung des Staates, klare rechtlich-administrative Rahmenbedingungen und leistungsfähige interne Arbeits- und Entscheidungsstrukturen.
14. Die Hochschulen haben in den letzten zwei Jahrzehnten und bis heute eine Fülle von Organisationsgesetzen und -verordnungen erlebt und zum Teil erlitten. Daher hat für sie die längerfristige Stabilität der rechtlichen Rahmenbedingungen hohe Priorität. Das schließt organisatorische Verbesserungen innerhalb des bestehenden Gesetzesrahmens nicht aus. Das gilt etwa für eine kritische Überprüfung der (häufig zu großen) Zahl und des (häufig zu engen) fachlichen Spektrums von Fachbereichen mit dem Ziel, die fächerübergreifende Kooperation und Koordination zu verbessern Dazu gehören ferner Bemühungen, die relativ schwache Stellung des Dekans zu stärken, im gewissen Maße auch zu professionalisieren Schließlich sollte das Amt der Hochhschulleitung insbesondere bei der hochschulinternen Mittelverteilung so ausgestaltet getroffen sein, daß rasche Entscheidung auch abweichend vom Prinzip der Gleichverteilung getroffen gegeben und profilprägende Leistungsbereiche besonders gefördert werden können. lnsgesamt sollte das demokratische und kollegiale Prinzip in der Hochschulselbstverwaltung so berechtigt es ist nicht dazu führen, daß die persönliche Verantwortung sich hinter anonymen Gremienentscheidungen verliert.
15. Der Staat als Träger der Hochschulen sollte diese Bemühungen dadurch unterstützen, daß er sich auf eine Globalisierung beschränkt, aller Detailentscheidungen wo immer möglich, enthält und das bestehende Netz von Vorschriften insbesondere in der Mittelbewirtschaftung lockert (Deregulation). Vor allem aber sollten die Länder dafür sorgen, daß für den zweifellos zunehmenden wissenschaftlichen Wettbewerb faire Bedingungen herrschen; das gilt sowohl für den Wettbewerb der Hochschulen untereinander- innerhalb eines Landes und länderübergreifend wie auch für die Konkurrenz des Hochschulbereichs gegenüber dem sonstigen (überwiegend bundesfinanzierten) Forschungssektor. Unter solchen Voraussetzungen echter Chancengleichheit scheuen die Hochschulen den Wettbewerb nicht.
Dabei ist freilich nach den Erfahrungen der letzten Jahre zu unterscheiden zwischen einer echten Wettbewerbspolitik, der es um bessere Erträge geht, und einer als Wettbewerb ausgegebenen Sparpolitik, der es vorrangig um eine Verringerung des Aufwandes zu tun ist. Im gleichen Sinne ist auch zu unterscheiden zwischen einer legitimen Politik des Staates, die besondere Leistungen einzelner Einrichtungen besonders honoriert, und einer Politik, die durch gezielt unterschiedliche Honorierung derartige Leistungsunterschiede erst bewirkt. Eine forcierte Qualitätsdifferenzierung und hierachisierung die Verbesserungen an einer Stelle nur um den Preis der Verschlechterung an anderen Stellen erlaubt, ist jedenfalls kein zukunftorientiertes Hochschulkonzept. Ziel der Hochschulpolitik muß es vielmehr sein, den hohen Standard aller Hochschulen zu erhalten und darauf aufbauend Höchstleistungen besonders zu fördern.