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Das Eckwertepapier

Die Grundlage der aktuellen Bildungspolitik


Zur Vorbereitung des ursprünglich geplanten bildungspolitischen Spitzengesprächs ("Bildungsgipfel") hat sich im März und April 1993 eine Arbeitsgruppe aus VertreterInnen von Bund und Ländern getroffen. Dabei waren u.a. die Bundesministerien für Forschung und Technik, für Finanzen und für Bildung- und Wissenschaft, das Bundes kanzleramt sowie Wissenschafts- und Kultusministerien verschiedener Länder (auch SPD- regierter). Diese Arbeitsgruppe erstellte das sogenannte Eckwertepapier. Das Eckwertepapier war lange Zeit nicht öffentlich, dem AStA Marburg wurde es auf Anfrage verweigert. Das Eckwertepapier macht deutlich, wie ernst es den PolitikerInnen diesmal ist: Es ist ein umfassender Maß nahmenkatalog mit konkreten Gesetzes- und Zeitplänen. Die ersten Schritte sind bereits für 1993 vorgesehen.
Mehr einleitende Worte

Einige Eckwerte


Offensichtlich scheint auch in den meisten Fragen eine Übereinstimmung zwischen Bund und (den beteiligten) Ländern erzielt worden zu sein. Lediglich bei der Frage nach Geld scheint noch ein großer Dissenz zu bestehen: Zahlen will keiner! Das Eckwertepapier enthält zwar auch detailiertere finanzielle Eckdaten, aber der Bund verweigert bisher eine umfassende Beteiligung daran. Die Länder wollen (und können) die Mittel nicht allein aufbringen.

Auffällig ist weiterhin die Tendenz zum bürokratischen Regularismus, zur Vereinheitlichung, Gestaltungsfreiheiten (für Hochschulen, Bundesländer, unterschiedliche Studienfächer) sind kaum vorhanden, sie werden systematisch eingeschränkt. Die Verwirklichung der Pläne erfolgt ausschließlich auf gesetzlichem Wege oder per Verwaltungsvollzug, so daß mensch selbst manche positiv erscheinende Maßnahme kritisch betrachten muß. Die Berücksichtigung didaktischer Fähigkeiten bei Berufungen z.B. soll laut Eckwertepapier durch eine Änderung des Hochschulrahmengesetzes (Streichung des Relativsatzes in $ 44 Abs. 1 Nr. 2 ("pädagogische Eignung, die in der Regel durch Erfahrungen in der Lehre oder Ausbildung nachgewiesen wird")) und durch "Verwaltungsvollzug" verwirklicht werden. Die Praxis in den entscheidenen von Professoren dominierten Berufungskommissionen wird das kaum beeinflussen.

Auch andere sehr sinnige Ideen, die z.T. seit Jahren von studentischer Seite gefordert werden, werden mit Wischi- Waschi-Maßnahmen begleitet: Die Verbesserung der Studieninformation sowie Studien- und Berufsberatung soll durch die Verbesserung der Beratungsdienste vorgenommen werden (warum haben die das nicht längst getan?). Tutorien sollen durch den Ausbau von Tutorien eingeführt werden (Genial unter Berücksichtigung, daß die erforderlichen Mittel nicht bereitgestellt werden!).

Auch bei der "Verbesserung des Bafögs" findet sich nur der Satz "zeitgerechte Anpassung der Fördersätze" nicht aber eine konkrete Maßnahme, geschweige denn eine Finanzzusage. Die "Vereinheitlichung der Förderungshöchstdauer verbunden mit einer Anpassung an einheitliche Regelstudienzeiten" bedeutet wohl, daß in Zukunft nicht mehr die reale Studienzeit, sondern die Regelstudienzeit zum Maßstab genommen werden soll, also eine Kürzung des Bafögs!

Das Eckwertepapier beschäftigt sich aber nicht nur mit der Studienreform, auch im Forschungsbereich sind Maßnahmen vorgesehen, die einem die Haare zu Berge stehen lassen können. In diesem Zusammenhang kommen die Damen und Herren PolitikerInnen auch zu einer erstaunlichen Erkenntnis: "Unter den Bedingungen der Überlast ist der Lehre an den Hochschulen vielfach Vorrang vor der Forschung gegeben worden." - Wie bitte?


Quellennachweis: Arbeitskreis Hochschulpolitik im AStA Uni Marburg
bay, 15.3.1999, URL www.michael-bayer.de