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Anke Brunn zur Novelle des Hochschulrahmengesetzes

Quelle: Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.), o.J.: Anke Brunn zur Novelle des Hochschulrahmengesetzes,
http://www.mwf.nrw.de/HRG-LANG.html (1.2.1999, nicht mehr online).

Wenn wir sozialdemokratisch regierten Länder einen Gesetzentwurf zum HRG vorlegen könnten, hätte der natürlich anders ausgesehen. Wir hätten vor allem die Novelle des HRG und die Reform der Ausbildungsförderung als Einheit gesehen und beide Gesetzesvorhaben gemeinsam auf den Weg gebracht; und wir hätten natürlich die Studiengebührenfreiheit bundesweit erhalten.

Nun stellen wir Sozialdemokraten bekanntermaßen im Bund noch nicht die Regierung und können deshalb auch noch keinen eigenen Gesetzentwurf für ein Bundesgesetz einbringen. Deshalb haben wir A-Länder in Vorgesprächen mit dem Bund über das HRG alles versucht, daß unsere eigene Handschrift erkennbar ist.

Wir sind in den zurückliegenden Gesprächsrunden zum HRG seit dem 28. April dieses Jahres ein gutes Stück vorangekommen.

Wir A-Länder sind damals auch deshalb in die Gespräche mit dem Bund gegangen, weil das geltende HRG den pragmatischen Reformschritten, die wir inzwischen schon gegangen sind, Grenzen gesetzt hätte. Deshalb haben 15 Länder bereits vor einem Jahr im Bundesrat eine Erprobungsklausel beschlossen. Leider ist der Bund diesem Vorschlag nicht gefolgt, sonst wären wir vielleicht heute in der Praxis schon weiter.

Der Bund wollte eine Novelle, und weil das HRG mehr als andere Bundesgesetze in den Handlungsbereich der Länder eingreift, mußten wir A-Länder darauf achten, daß unsere Reformziele durch den Gesetzesrahmen des Bundes nicht eingeengt oder gar blockiert werden.

Die Länder haben seither in mehreren Gesprächsrunden auf Staatssekretärs- und Ministerebene mit dem Bund einen akzeptablen Kompromiß für einen Gesetzentwurf erreicht, den nun die Bundesregierung ins Gesetzgebungsverfahren bringen muß.

Ich will hier klar sagen: Wir werden den im Entwurf gefundenen Kompromiß im Gesetzgebungsverfahren konstruktiv und mit dem Ziel einer raschen Verabschiedung begleiten. Es sollen selbstverständlich noch die üblichen Anhörungsverfahren und Beratungen zügig und gründlich durchgeführt werden, denn für Verbesserungen sind wir – gemeinsam natürlich – offen. Wir wollen vor allem weiter auf eine bundesweite Festschreibung der Studiengebührenfreiheit drängen.

Der Entwurf trägt in für uns wichtigen Punkten unsere Handschrift, auch wenn wir einige Kröten schlucken mußten.

Schon beim ersten Entwurf ist der Bund unserer Forderung nach Abbau von einengenden bürokratischen Regelungen, nach mehr Freiraum für Experimente, nach mehr Flexibilität entgegengekommen. So wurden die Vorschriften über die Organisation der Hochschulen weitgehend zurückgenommen. Die Länder und die Hochschulen werden künftig mehr Freiräume zur eigenen Gestaltung ihrer Strukturen und ihrer Selbststeuerung haben. Damit können die Länder ihren Weg der pragmatischen Reformen weitergehen.

Viele Regelungen, die jetzt ins HRG aufgenommen wurden, sind bei uns schon längst umgesetzt. Das gilt von der leistungsbezogenen Mittelzuweisung an die Hochschulen über den Freiversuch bei Prüfungen bis zur Lehrevaluation. Wir hatten deshalb Wert darauf gelegt, daß die in den Ländern eingeleiteten Reformen nicht konterkariert und die HRG-Regelungen auf die Formulierung von Zielen beschränkt werden.

Unsere sozialdemokratische Handschrift zeigt sich etwa darin, daß

Alternativen zur Habilitation für den Zugang zum Professorenamt eröffnet werden.

Das sind auch für uns A-Länder wichtige Reformschritte.

Wenn man die Ausgangslage am Beginn der Gespräche betrachtet, so lagen die Positionen von Sozialdemokraten und der Union in vielen zentralen Fragen fast unüberwindbar auseinander:

Die B-Seite und die Bundesregierung verlangten unter der Überschrift "Prüfungen" nach dem ersten Studienjahr einen "Studienstandsnachweis". Wir haben uns auf das Prinzip Beratung und Orientierung statt Kontrolle oder Selektion in der Studieneingangsphase verständigt.

Die B-Seite wollte generell eine sanktionsbewehrte Zwischenprüfung mit der Konsequenz der Zwangsexmatrikulation spätestens nach dem dritten Studienjahr.

Wir haben erreicht, daß es Sanktionen einseitig zu Lasten der Studierenden bundesweit nun nicht geben wird. Wir nehmen die oft zitierte "Kundenorientierung" der Hochschulen ernst.

Es bestand die Gefahr, daß die Bedeutung des Abiturs als zentrale Voraussetzung für die Zulassung für ein Studium entwertet würde, sei es durch Hochschuleingangsprüfungen, sei es durch sogenannte Auswahlgespräche.

Wir setzen auf Leistung. Wir haben uns verständigt, die Bedeutung der Abiturdurchschnittsnote zu stärken und allenfalls in absoluten Mangelfächern – ähnlich wie bisher im besonderen Auswahlverfahren etwa in der Medizin – wohl gemerkt als nachrangiges Instrument zur gestärkten Abiturnote – ein Auswahlverfahren der Hochschule zu einem begrenzten Anteil zuzulassen. Das ist keine Eliteauslese durch die Hochschule, sondern ein zusätzliches Verfahren, an eine Hochschule zu gelangen.

Das Auswahlverfahren der Hochschulen kann sich einerseits wiederum ausschließlich auf die Abiturdurchschnittsnote beschränken, es kann auch die Berufstätigkeit nach dem Abitur als Kriterium für die Zulassung genommen werden, und als Drittes kann auch in Auswahlgesprächen die Motivation und Eignung für das gewählte Fach festgestellt werden. Damit bleibt der Hochschulzugang für junge Leute transparent und kalkulierbar.

Nicht durchsetzen konnten wir uns bisher bei einer bundesweiten Verständigung, die Freiheit von Studiengebühren festzuschreiben.

Wir sehen in Studiengebühren neue und zusätzliche soziale Barrieren für ein Studium vor allem für Studierende aus mittleren und unteren Einkommensschichten, und wir erkennen darin eine weitere Belastung der jungen Generation durch uns Ältere, die wir nicht bereit wären, unserer Jugend die gleichen Chancen zu geben, die wir früher hatten, deshalb wollen wir, daß es beim gebührenfreien Studium bleibt.

Herr Rüttgers und Herr Zehetmeier sind gleichfalls gegen die Studiengebühr, sie sahen sich jedoch mit Rücksicht auf einige Länder nicht in der Lage, uns mit unseren Zielvorstellungen im HRG entgegenzukommen.

Wir haben uns verständigt, daß wir bei dieser Frage im laufenden Gesetzgebungsverfahren noch nach vernünftigen Lösungen suchen wollen.

Leider haben wir bei der verfaßten Studentenschaft nur den Status quo erhalten können, daß jedes Land selbst daüber befinden kann. Aber immerhin haben wir bei der leidigen Frage, welche Grenzen bei der Wahrnehmung des sogenannten politischen Mandats gelten, mehr Klarheit erreicht. Wir wollen und brauchen das Engagement der Studierenden in der demokratischen Gesellschaft.

Überhaupt noch nicht angegangen worden ist bisher der Themenbereich "Personalstruktur". Wir haben jedoch die Zusage des Bundes, daß es jetzt auch dabei in absehbarer Zeit zu Reformen kommen soll. Eine Arbeitsgruppe ist inzwischen eingerichtet und hat auch schon getagt.

Für die A-Länder gilt weiter: Wir sehen die HRG-Novelle und die Reform der Ausbildungsförderung in einem inhaltlichen und damit auch politisch-verfahrensmäßigen Zusammenhang. Das HRG kann auch bei größter Eile nicht vor dem Frühjahr 1998 in Kraft treten. Bis dahin erwarten wir auch eine Lösung bei der Reform der Ausbildungsförderung.


bay, 15.3.1999, URL www.michael-bayer.de